Das Adventure-Soft-Vermächtnis #1: Adventure International UK

Dies ist die Geschichte von Adventure Soft, dem Gründer Mike Woodroffe, seinem Sohn Simon Woodroffe und den Spielen, die dabei entstanden. Teil 1 deckt die Anfänge von den frühen 1980ern bis 1988 ab.

Alles beginnt in einem Musikgeschäft in Birmingham, England, Anfang der 1980er Jahre. Bei “Woodroffe’s Musical Instruments” beschließt man, dass ein Computer als digitale Unterstützung für das Ladenlokal angeschafft werden soll. In diesem Familienbetrieb arbeiten zu der Zeit unter anderem die Brüder Gerald “Jezz” Woodroffe, der sich bereits als Profi-Keyboarder in Bands wie Black Sabbath einen Namen gemacht hat, und Michael John “Mike” Woodroffe, der später als Gründer von Adventure Soft in die Computerspielhistorie eingehen wird. In einem Interview aus dem Jahr 1989 erzählt er von der Schwierigkeit, zum damaligen Zeitpunkt an einen Computer zu gelangen:

“Wir konnten keinen bekommen – zumindest nicht so leicht. Also dachte ich mir, dass wir nicht die Einzigen sein können, die einen Computer brauchen, und eröffnete ein Computergeschäft. Dann fand ich heraus, dass der Grund dafür, dass es keinen Laden gab, darin lag, dass niemand Computer kaufen wollte!”

Mike Woodroffe im Confidentional Magazine #7

Die Woodroffes legen sich einen Tandy TRS-80 mit Diskettenlaufwerk zu, mit der Absicht, damit ihre Geschäftsprozesse und Lagerhaltung zu optimieren. Doch Mike interessiert sich auch für Unterhaltungssoftware und findet schnell gefallen an dem Textadventure Pyramid Adventure. Später erzählt er in einem Interview:

“Diese Art von Spielen, bei denen es um das Lösen von Rätseln geht, hat uns wirklich gefallen. Das muss uns in die Wiege gelegt worden sein.”

Mike Woodroffe im The Classic Adventurer

Das Computergeschäft, das Mike Woodroffe gründet, ist eines der ersten in Großbritannien überhaupt. Er nennt es Callisto Computers (benannt nach dem Jupitermond) und bringt es in den Lokalitäten des Familien-Musikladen in seiner Heimatstadt Birmingham unter. Trotz der beschriebenen Anfangsschwierigkeiten mausert es sich zu einem gut gehenden Geschäft, in dem auch sein damals noch kleiner Sohn Simon Woodroffe mithilft. In den Anfangstagen importiert Callisto Computers Programme von US-Firmen wie Instant Software, um sie in UK weiterzuverkaufen.

Ungefähr zur selben Zeit beschließt der damalige Telefontechniker Brian Howarth, inspiriert durch das Pen-and-Paper-Rollenspiel Dungeons & Dragons sowie der britischen Fernsehshow The Adventure Game, fortan als Videospiel-Programmierer seine Brötchen zu verdienen. Sein erstes Spiel, das Textadventure The Golden Baton, orientiert sich an den Arbeiten von Scott Adams, der in den USA gerade mit seiner Firma Adventure International durchstartet. Howarth findet den Publisher Molimerx, mit dem er kurz darauf auch noch die Spiele The Time Machine und Arrow of Death herausbringt.

Währenddessen erkennt auch Mike Woodroffe das Potential des Spiele-Publishings und nimmt Kontakt zu Scott Adams auf.  Die Spiele von Adventure International verkaufen sich zwar gut in den USA, aber während dort Heimcomputer wie der Apple 2, Atari 8-Bit-Computer oder Commodore PET angesagt sind, spielen die Briten lieber mit Kisten wie dem ZX Spectrum, dem Dragon 32 und dem BBC Micro. So kommt es zu einem Publishing-Deal zwischen Adams und Woodroffe, der die Spiele der Mutterfirma fortan in England vertreiben soll.

Recht schnell wird immer deutlicher, dass die Spiele auf die Heimcomputer portiert werden müssen, die auf der Insel den Markt bestimmen. Leider fehlt Woodroffe dafür ein Programmierer, der ihm diese Arbeit abnimmt. Er macht aus diesem Umstand kein Geheimnis und erzählt davon auch in Interviews. Eins davon liest Brian Howarth und meldet sich bei Woodroffe, um ihn kennenzulernen. Dabei kommt es zu einem unverhofften Wiedersehen. Brian Howarth erinnert sich:

“Bevor ich mit dem Erstellen von Adventures begann, war ich in einer Band und auf der Suche nach Ausrüstung. Ich war in den Midlands und fand einen Typen, der ein Keyboard tauschen wollte – wir tauschten und er erwähnte, dass sein Name Jezz Woodroffe war und dass er der Keyboarder von Black Sabbath gewesen war. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich Mike Woodroffe zum ersten Mal im Musikgeschäft seiner Familie in Birmingham traf, von wo aus er die Software-Firma betrieb. Er stellte mich seinem Bruder Jezz vor, und wir beide bemerkten sofort, dass wir uns bereits kannten!”

Brian Howarth im SolutionArchive.com

Ob es an diesem freudigen Wiedersehen liegt, wissen wir zwar nicht, aber Mike und Brian werden sich schon bald einig. So beginnt 1983 eine langjährige Zusammenarbeit zwischen Brian Howarth als freiberuflichem Programmierer und Mike Woodroffe als Geschäftsführer. Gleichzeitig ist es (mit Genehmigung von Adventure International) die Geburtststunde von Adventure International UK (AIUK).

Der Aufstieg…

Brian Howarth wird in den neuen AIUK-Büro oberhalb von Callisto Computers untergebracht und fängt  zunächst an, seinen eigenen Textadventure-Interpreter mit dem datenbankbasierten Interpreter von Scott Adams in Einklang zu bringen. Ein Artikel im SoftSide Magazin ist ihm dabei eine große Hilfe, denn darin ist der Quelltext des ersten Spiels von Adams, Adventureland, in Gänze abgedruckt.

Die daraus resultierende Engine erleichtertet es Howarth enorm, die Adventure International-Spiele zu konvertieren. Neben Adventureland werden auch die weiteren Scott Adams-Klassiker wie etwa Pirate AdventureSecret Mission oder Voodoo Castle portiert. Außerdem entstehen neue Textadventures aus der Reihe “Mysterious Adventures” von Brian Howarth, die 1983 mit dem Spiel The Wizard of Akyrz endet.

Da sich reine Textadventures nicht mehr so gut verkaufen lassen wie bebilderte Abenteuer, engagiert Mike Woodroffe den Künstler Teoman Irmak, der ab diesem Zeitpunkt für die grafische Illustration der AIUK-Spiele zuständig ist. Im The Classic Adventurer erklärt er die Anfänge der Zusammenarbeit:

“Mike hatte meine traditionellen Cover-Illustrationen in Computermagazinen gesehen, also begann ich zunächst als Cover-Künstler. Ich habe die Illustrationen für die Spieleboxen gemacht, in Aquarell oder manchmal auch in Öl. Ich war kein etablierter digitaler Künstler zu der Zeit.”

Teoman Irmak im The Classic Adventurer

1984 beginnt die US-Partnerfirma mit der Umsetzung von Lizenzspielen, darunter Spider-Man und The Hulk, die ebenfalls von AIUK konvertiert und in England verkauft werden. Die Nachfrage nach diesen Spielen ist so hoch, dass Adventure International nicht mehr mit der Produktion neuer Spiele nachkommt. Ursprünglich sollen ganze 12 Spiele entwickelt werden, aber selbst das vierte wird schon nicht mehr fertig gestellt.

…und der Fall von Adventure International

Trotz der bis dahin guten Verkaufszahlen muss die Firma im Dezember 1985 Konkurs anmelden. Die Gründe sind vielfältig: In den USA verkaufen sich mittlerweile grafisch aufwendigere Spiele besser, außerdem wird der Sprung auf die neue Computergeneration, die zum Beispiel mit den 16bit-Computern Atari ST und Amiga entsteht, verpasst. Auch die Entscheidung, ihre Spiele weiterhin größtenteils im Eigenvertrieb per Post an die Kunden zu schicken, während die meisten anderen Spiele bereits in den Regalen der Computerspiele-Läden stehen, hat zum Niedergang beigetragen. Scott Adams sagt später dazu in einem Interview mit The Classic Adventurer:

“Unterm Strich waren es schlechte Geschäftsentscheidungen, die von den Firmeninhabern, mir und meiner Frau, getroffen wurden. Wir haben Geld an den falschen Stellen ausgegeben und nicht an den richtigen Stellen investiert.”

Scott Adams im The Classic Adventurer

Danach zieht er sich weitestgehend aus dem Computerspiele-Geschäft zurück und widmet sich der Arbeit als Programmierer “seriöser” Software. Die Schließung von Adventure International sieht er mittlerweile als Segen an:

“Rückblickend betrachtet war die Schließung von Adventure International das beste, was mir passieren konnte. Ich habe gelernt, dass wir alle nur einen Herzschlag vom Tod und eine falsche Entscheidung vom finanziellen Ruin entfernt sind. Ich lernte, auf Jesus zu vertrauen, und das hat mein Leben gewaltig verändert. “

Scott Adams im The Classic Adventurer

Erst viele Jahre später findet er wieder seinen Weg in die Spiele-Branche, zuletzt bei der 3D-Actionadventure-Reihe The Lost Legends of Redwall.

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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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