Das Entwicklungsstudio Spoonful of Wonder legt sein Erstlingswerk vor. Ob es mit seiner Geschichte über eine Katze auf den Hund gekommen ist? Schauen wir mal rein.
Titel: | Copycat |
Erscheinungsdatum: | 19.09.2024 |
Plattformen: | Windows |
Entwickler / Herausgeber: | Spoonful of Wonder / Neverland Entertainment |
Homepage: | https://spoonfulofwonder.com/ |
Tiere veredeln grundsätzlich jedes Spiel. Sei es als mutierter Gegner (gerne aus dem Insekten-Bereich), als Verschönerung der Umgebung oder als Gefährte. Die Seite Can you pet the dog listet viele Spiele auf, die entgegen des Seiten-Namens Interaktionen nicht nur mit Hunden ermöglichen. Doch Titel, in denen der Spieler ein Tier selbst steuert, sind recht rar gesät. In Copycat lassen uns die beiden Kreativen Samantha Cable und Kostia Liakhov nun in die Fellhaut der Katze Dawn schlüpfen.
Der Betrüger
Der älteren Dame namens Olive ist die Katze weggelaufen. Damit sie ihr Dasein nicht alleine trübsinnig im Haus fristet, holt sie sich aus dem Tierheim einen neuen Gefährten. Die “neue” Dawn sieht ihrer ausgebüchsten Vorgängerin vom Schnurrhaar bis zur Schwanzspitze sehr ähnlich – und Olive hofft, dass sie sich bald genau so gut mit ihr versteht.
Doch Dawn hat als Tierheim-Katze bereits einige schlechte Erfahrungen hinter sich. Es fällt ihr schwer, die neue Umgebung und erst recht Olives Zuneigung zu akzeptieren. Am liebsten versteckt sie sich in der Garage unter einem Regal und erforscht das restliche Haus nur, wenn Olive schläft oder beim Arzt ist. Denn Dawns Mensch ist nicht nur alt, sondern auch krank. Eines Tages findet die Katze Olive hilflos auf dem Badezimmer-Fußboden neben einem Fläschchen Tabletten. An anderen Tagen fühlt sich die Frau wieder halbwegs fit und genießt die wachsende Vertrautheit mit ihrem Stubentiger.
Dawn allerdings macht sich ständig Gedanken. Sie hat ihre Vorbesitzer nicht vergessen. Ebenso hat sich die Moderatorenstimme einer Wildkatzen-Dokumentation, die ständig in Olives Fernseher läuft, in Dawns Kopf eingenistet. Denn das Tier schwankt hin und her zwischen der Behaglichkeit einer Mensch-Katze-Beziehung und dem Drang, unabhängig und damit nicht verletzbar zu sein. Olive hingegen wird von ihrer Tochter drangsaliert, die sich erst nur telefonisch meldet und später öfters im Haus ist. Und diese Tochter kann Katzen nicht ausstehen…
Warum das Spiel nun Copycat (das bedeutet soviel wie “Betrüger” oder “Nachahmer”) heißt? Das wird ungefähr ab der Hälfte des Spiels enthüllt. Und da wir von ungefähr drei bis vier Stunden Spielzeit sprechen, ist diese Marke für jeden Spieler erreichbar.
Laserpointer
Copycat ist kein komplexes Spiel. Es ist eine interaktiv erzählte Geschichte über Vertrauen, Zurückweisung und Einsamkeit. Entsprechend einfach gehalten sind die Spielmechaniken. Zwar kann der Spieler in Dawns Gestalt das Haus, den Garten und später auch andere Umgebungen erkunden. Doch besonders viele Interaktionsmöglichkeiten gibt es nicht, so dass die Katze durch die Geschichte läuft, als ob sie einem Laserpunkt auf dem Boden folgt. Aufgelockert werden diese Passagen durch einige Quicktime-Events, die allerdings dem Spiel angemessen eher Richtung “time” als “quick” tendieren und einfach zu meistern sind. Selbst seltene Schleich- oder Renn-Passagen besitzen nahezu keinen Schwierigkeitsgrad. Das muss man als Spieler nicht mögen, war mir in diesem Spiel aber ganz recht. Weil sie nicht mehr als Abwechslung sein wollen und oft nur dazu dienen, Dawns Gedankenwelt darzustellen.
Manchmal schläft Dawn ein und träumt. In ihren Träumen läuft sie als schwarzer Panther durch die Steppe und jagt Hasen – wobei selbst diese Passagen im Laufe des Spiels surrealer werden. Wer Hunger hat oder eine Zurückweisung zu verdauen hat, hat andere Probleme als hoppelnde Säugetiere.
Die Geschichte wird wie ein klassisches Telltale-Adventure erzählt. Innerhalb der einzelnen Szenen gibt es in Dialogen immer wieder verschiedene Auswahlmöglichkeiten. Leider gehen oftmals beide Varianten in die gleiche Richtung. Ob Dawn nun faucht oder kratzt, dürfte einerlei sein. An wieder anderen Stellen hat der Spieler gar keine andere Wahl als zum Beispiel einen Hocker zu zerkratzen. Falls dies die inneren Zwänge eines Tiers darstellen sollte: Bravo. Als Spieler hätte ich mir ein wenig mehr Selbstbestimmung gewünscht.
Komm Kitty Kitty Kitty
Die graphische Qualität schwankt bei Copycat. Dawns Animationen sind sehr gelungen, während die menschlichen Figuren alle Schwierigkeiten offenbaren, ihren Hintern unter der Wirbelsäule zu platzieren. Die Hinterhöfe und Straßen sind nahezu unbelebt und lassen nur wenige Interaktionen zu. Für ein Erstlingswerk eines kleinen Teams, das vermutlich mit einem kleinen Budget auskommen musste, ist das alles vollkommen verständlich, reißt aber immer wieder aus der Geschichte. Musikalisch wird Dawns Reise von hübschen Klaviermelodien untermalt. Die Sprachausgabe der einzelnen Protagonisten ist sauber und meist passend gewählt. Ob Dawns Miauen allerdings wirklich dem entspricht, was mir der Universalübersetzer des Spiels so vorschlägt? Zweifel sind erlaubt.
Copycat entpuppt sich schnell als geradlinig erzählte Geschichte. Wer ein Spiel mit Rätseln oder anderen Herausforderungen sucht, ist hier an der falschen Adresse. Wer aber eine Katze bei ihrer Suche nach einer Familie begleiten möchte, ist genau richtig. Tier-Liebhaber werden an mindestens einer Stelle schlucken müssen, doch den Ausflug mit der Wildkatze Dawn möchte ich trotzdem nicht missen.
Offenlegung: Ich habe ein kostenloses Rezensionsexemplar dieses Produkts von keymailer.co erhalten.
Schade, ich finde es eigentlich gut, wenn Spiele auch die Perspektive von Nicht-Menschen einnehmen, aber ich hätte mir das hier aber stringenter umgesetzt gewünscht: anstatt zu sprechen hätten die Menschen ein Charlie-Brown-artiges Gebrabbel von sich geben müssen, mit einer Art Tonalitätsskala, damit man eine Idee davon bekommt was die großen Nicht-Beutetiere eigentlich von einem wollen.
Da hätte sich vielleicht ein interessante Mechanik draus entwickeln lassen, inwieweit man es schafft aus Tonalität und Kontext die richtige Entscheidung zu treffen.
Auf mich wirkt das eher so als würde man einen Menschen auf vier Beinen spielen, dem man aus dem Stand zugeneigt ist, weil er in der Haut einer Katze steckt.
Guter Punkt. Daran hatte ich ehrlich gesagt gar nicht gedacht. War zu sehr damit beschäftigt, die hübsche Laufanimation zu bewundern. Bei mir hat es also geklappt. So eine Sims-Sprache wäre tatsächlich aber eine tolle Idee gewesen.
Danke dir für den schönen kleinen Einblick! Hatte das Spiel bereits auf dem Schirm, zumal auch ein Switch-Release angedacht ist. Selbiges gilt für “Stray”, das demnächst auch endlich für die Switch erscheinen wird. (Für mich definitiv ein Titel, den ich mir als Katzen-Fangirl nicht entgehen lassen kann.) “Little Kitty, Big City” hab ich bisher noch nicht durchgespielt… Gameplay und Spielmechanik sind doch etwas gewöhnungsbedürftig. Aber es ist dennoch sehr cute und ich werde mich demnächst noch richtig damit befassen. 🙂 Mit “Copycat” scheint uns aber generell ein stärkeres Storytelling zu erwarten, weshalb ich mich auf diesen Titel besonders freue.
Storytelling ist genug vorhanden, ja. Spielerisch ist natürlich nicht viel zu machen bei diesem Spiel, aber für die paar Stunden trägt es.
Was mich ohnehin nicht stört, da ich solche Spiele sehr gerne mag.
Du könntest noch erwähnen, dass es auf Steam eine Demo gibt, die man sich mal anschauen kann. Was ich gerade auch gemacht habe. Nach 15 Minuten habe ich die aber wieder beendet, irgendwie ging mir das “Spiel” auf den Keks. Leider nix für mich, auch wenn ich es für eine interessante Idee halte. Danke für den Test!
Das mit der Demo war mir gar nicht klar. Danke für die Ergänzung.