In einer alternativen Zeitlinie brachte Christy Marx nach ihrem hervorragenden Erstlingswerk Conquests of Camelot ein Adventure heraus, das in der griechischen Mythenwelt angesiedelt war. Der Titel könnte Conquests of Athens: The Kidnapping of Helena sein. Oder Conquests of Sparta: 300 Against Persia. Stattdessen blieb sie den Gefilden des Vorgängers treu und ließ ihre Geschichte erneut in britischen Landen spielen.
Ich nahm den Bogen, meinen besten…
1990 veröffentlichte Sierra On-Line das Spiel Conquests of Camelot: The Search for the Grail, das für die Designerin Christy Marx ihr Einstand sowohl in der Firma als auch im Computerspiel-Genre war. Für ihr nächstes Projekt vertiefte sie sich in die griechische Mythologie, kam mit dem Thema allerdings nicht besonders weit. Denn wie schon bei ihrem ersten Spiel hatte Sierras Haupt-Designerin und Mit-Firmen-Chefin Roberta Williams eigene Ideen. Sie begann, Marx auf subtile Weise Hinweise zu geben:
Etwa einen Tag, nachdem sie das Thema zum ersten Mal erwähnt hatte, sagte Roberta zu mir: „Ich habe letzte Nacht geträumt, dass du ein Robin-Hood-Spiel machst“. Langsam wurde mir klar, dass sie damit andeuten wollte, dass ich ein Robin-Hood-Spiel machen sollte.
The Sierra Adventure
Robin Hood war Anfang der 1990er Jahre wieder gefragt. Kevin Costner verkörperte ihn 1991 in dem erfolgreichen Film Robin Hood – König der Diebe, während der parallel erschienene Streifen Robin Hood – Ein Leben für Richard Löwenherz an den Kinokassen unterging und heute nahezu vergessen ist. Vermutlich auch wegen des Hits von Bryan Adams, (Everything I do) I do it for you, der weltweit auf die ersten Chart-Plätze stürmte und der während des Abspanns des Costner-Films erklang. Auf den heimischen Fernseh-Schirmen war Robin Hood seit Mitte der 1980er nicht mehr aktiv, das letzte Lebenszeichen waren die drei Staffeln der britischen Serie Robin of Sherwood, die aber gezeigt hatte, dass der alte Volksheld immer noch Geschichten-Potential in sich trug.
In direkter Konkurrenz zu Conquests of the Longbow entstand im Hause Millennium Interaktive das Spiel The Adventures of Robin Hood, das allerdings ein Action-RPG ist und eine bunte isometrische Ansicht bietet. Alles in allem war die gesetzlose fröhliche Bande aus dem Sherwood Forest gerade angesagt und schien ein lohnendes Thema zu sein. Wie schon bei Conquests of Camelot begann Christy Marx also, sich mit viel Recherche in die Materie einzuarbeiten. Wer war dieser Robin Hood? Und wie sollte ihr ganz persönlicher Bogen-Held sein?
… Mein Pfeil flog hundert Schritt gen Westen
Unser Bild des tapferen Waldbewohners ist stark geprägt von den oben genannten Filmen und Spielen. Jüngere Zeitgenossen könnten auch die neueren Filme oder Kinder-Serien gesehen haben. Hier sei mir eine kurze Abschweifung gestattet: So wenig mir der Robin-Film mit Taron Egerton in der Hauptrolle gefällt, so sehr imponiert mir dessen Einsatz für die Rolle. Es gibt auf Youtube ein kurzes Filmchen, in dem er beim Bogentraining gezeigt wird. Wobei sein Trainer, Lars Andersen, natürlich ein ganz anderes Level erreicht. Allen Filmen, Serien oder Büchern ist gemeinsam, dass sie eigene Ideen und zeitgenössische Strömungen in die Figur einfließen lassen. Wenig von dem, was wir heute mit Robin Hood verbinden, entstammt den ursprünglichen Geschichten.
Doch wer war Robin Hood ursprünglich? Als gesichert kann gelten, dass es nicht den einen Menschen gibt, auf dem unsere heutige Sage basiert. Die erste überlieferte Erwähnung des Gesetzlosen stammt aus der Gedichtsammlung namens Piers Plowman, die Ende des 14. Jahrhunderts entstand:
I kan noght parfitly my pater-noster,
As the preest it syngeth;
But I kan rymes of Robyn Hood,
And Randolf erl of Chestre.
Der Erzähler brüstet sich also damit, statt des Vaterunsers Reime über Robin zu kennen. Es scheint, als wäre die Figur damals bekannt genug gewesen, um sie in Piers Plowman einzuflechten. Allerdings könnte der Name „Robin Hood“ damals bereits ein Synonym für „Gauner“ gewesen sein. Es gibt schriftliche Belege aus ganz England, dass verschiedene Männer im 13. Jahrhundert unter diesem Namen mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind und aus Schottland stammen Geschichten, die denen der späteren Robin-Hood-Balladen inhaltlich schon nahe kommen. Eventuell flossen diese beiden Strömungen später ineinander und wurden mündlich überliefert. Denn erst um das Jahr 1450 herum entstanden die ersten schriftlichen Überlieferungen, die wir auch heute noch kennen.
Diese ursprünglichen Geschichten sind meist eher kurze Abenteuer. Robin und seine Gefährten leben bereits als Ausgestoßene in den Wäldern (nicht zwangsläufig schon im Sherwood Forest, da gibt es Abweichungen) und wildern nach Herzenslust. Ebenso ist Robin bereits ein hervorragender Bogenschütze und ein Meister der Verkleidung. Er ist fromm und bekämpft zeitgleich die korrumpierten Kirchenmänner. Allerdings ist hier noch nicht die Rede davon, dass er die Reichen bestiehlt, um den Armen zu geben. Dennoch ist er gerecht: Wer von ihm im Walde angehalten und zu einem reichhaltigen Mahl eingeladen wird, soll dieses danach bezahlen. Sollte sich nun herausstellen, dass der Gast Robin ob seiner eigenen finanziellen Mittel belügt, wird er beraubt. Wer ehrlich Auskunft gibt, wird vollständig verschont. Natürlich flunkern nur die reichen Reisenden, so dass die Armen glimpflich und mit gefülltem Magen von dannen ziehen können. Doch die spätere „Robin-Hood-Motivation“ als Beschützer der einfachen Leute hat damit noch nichts zu tun.
Die familiäre Herkunft des späteren Volkshelden wird in den frühen Geschichten zuerst ebenso ausgespart wie die Epoche, in der er lebt. Erst in späteren Erzählungen wird er mit der Regentschaft von Richard Löwenherz verknüpft. Mal sei er ein Mann aus dem einfachen Volke, mal ein Adeliger aus dem Gefolge des Earl of Leicester gewesen. Gerne wird auch kolportiert, dass Robin Hood in Wirklichkeit der Earl of Huntington gewesen sei; andere Biographen wollen aus ihm einen Nachfahren von William dem Eroberer machen. Doch alle Versuche, ihn historisch dingfest zu machen, scheitern letztlich an der Quellenlage. Denn wie oben schon geschrieben, taucht der Name zwar häufiger in unterschiedlichen Zusammenhängen auf – doch für einen Lebenslauf, der zu einer der Überlieferungen passt, reicht es nicht.
Erste halbwegs zusammenhängende Erzählungen zur Figur sind in A Gest of Robyn Hode versammelt. Mit einigen Abschweifungen, die vermutlich in eine bestehende längere Erzählung eingefügt wurden, hilft Robin einem in Not geratenen Ritter aus der Patsche. Am Ende der Gest wird erstmals sehr knapp vom Tode Robins berichtet:
Than bespake good Robyn,
In place where as he stode,
„To morow I muste to Kyrkely,
Craftely to be leten blode.“
Syr Roger of Donkestere,
By the pryoresse he lay,
And there they betrayed good Robyn Hode,
Through theyr false playe.
Cryst have mercy on his soule,
That dyded on the Rode!
For he was a good outlawe,
And dyde pore men moch god.
In der 1786 erschienenen Geschichte „Robin Hood’s Death“ werden diese dürren Zeilen ausgeschmückt. Hier stirbt Robin Hood durch die Hand seiner Cousine. Diese war die Äbtissin des Zisterzienserklosters Kirklees, die ihn bei einem Aderlass – einer damals verbreiteten Behandlungsmethode bei Krankheiten – verbluten lässt. Als Robin bemerkt, was mit ihm geschieht, bläst er ein letztes Mal in sein Horn. Der in der Nähe wartende John eilt zu ihm, kann Robin aber nur noch einen Wunsch erfüllen: Mit letzter Kraft schießt der geschwächte Robin noch einen Pfeil durch das Fenster und bittet Little John, ihn dort zu begraben, wo der Pfeil landet. Noch heute findet sich an dieser (angeblichen) Stelle ein Stein samt Inschrift – allerdings legen Untersuchungen nahe, dass dort nie ein Grab war.
But give me my bent bow in my hand,
And a broad arrow I’ll let flee;
And where this arrow is taken up,
There shall my grave digged be.
Schnell stand für Christy Marx fest, dass sie die in den letzten Jahrzehnten häufiger erzählte Origin-Story in ihrem Spiel beiseite lassen würde. Weder wird erklärt, wie Robin zum Outlaw wurde noch wie er zu seinen Gefährten kam. So startet das Spiel im Lager der Bande, die sich bereits gefunden hat. Die bekannten Namen wie Bruder Tuck und Little John sind alle vertreten. Auch der ewige Gegenpol Robins, der Sheriff von Nottingham ist im Spiel eine wichtige Figur. Aus einzelnen Balladen entlehnte Marx Geschehnisse und wandelte sie für ihre Zwecke um. Zum Beispiel entstammt die Idee um falsche Juwelen, den verkleideten Robin und den im Walde übertölpelten Sheriff nahezu vollständig der frühen Geschichte Robin Hood and the Potter, die Anfang des 16. Jahrhunderts geschrieben wurde. Der Bogenschieß-Wettbewerb – ebenfalls häufiges Thema der Überlieferungen – fand ebenso Einzug in das Spiel wie die Rahmenhandlung um den in Österreich gefangen gehaltenen König Richard Löwenherz. Doch Marx ging wie auch schon bei Conquests of Camelot einen Schritt weiter und verband wieder die christliche Überlieferung mit den keltischen Wurzeln Englands.
Lady Marian, Maria und die Druiden
Zwar war England seit dem 9. Jahrhundert offiziell vollständig christianisiert, doch die keltischen – und andere – Einflüsse waren natürlich immer noch vorhanden. Vermutlich arrangierte sich das Volk einfach mit den Gegebenheiten und vermischte, was es gerade brauchte. So hat Robin Hood im Spiel kein Problem damit, ein tiefgläubiger Anhänger der Jungfrau Maria zu sein und gleichzeitig mit dem Old Man Oak, einer magischen Eiche im Sherwood, zu sprechen oder sich gar selbst in einen Baum zu verwandeln.
Wir haben heutzutage über die keltischen Druiden ein bruchstückhaftes Wissen. Dies unter anderem deshalb, weil sie Wissen nur mündlich weitergaben – alle schriftlichen Überlieferungen stammen von anderen Völkern wie den Römern. Platz für Christie Marx, die die Lücken mit eigenen Ideen füllte. Sehr wichtig im Spiel ist zum Beispiel ein Handalphabet, mit dem sich Richards Getreue untereinander mit einem Passwort „ausweisen“ können – und das Robin auch im späteren Spielverlauf anderweitig zupass kommt, wenn des Sheriffs Schergen ihn jagen. Außerdem ist das Handalphabet natürlich eine hervorragende Möglichkeit der Sicherheitsabfrage, da im Spiel die jeweils richtige Fingerstelle nur einmal kurz gezeigt wird und der Spieler jedes mal in seiner Anleitung blättern darf, wenn er mit den Händen sprechen möchte.
An anderer Stelle im Spiel muss Robin Hood sein Wissen über die magischen Eigenschaften von Edelsteinen beweisen – ein direkter Verweis auf das Handbuch, das bei Conquests of the Longbow sehr häufig als Kopierschutz eingesetzt wird. Denn auf dem Markt muss Robin später auch ein Wappen richtig erkennen – und an wieder anderer Stelle muss er sein druidisches Baum-Wissen aus dem Handbuch nutzen und mit dem Handalphabet kombinieren. Das wirklich wunderbare geschriebene Beiheft ist hier nicht nur Zierde; es ist essentiell notwendig.
Marian, die weibliche Hauptfigur des Spiels, ist hier nicht wie in vielen anderen Geschichten einfach nur das Mündel von König Richard. Sie ist eine Priesterin der Naturgötter und treibende Kraft hinter der Verschwörung, die das Lösegeld für Richard organisieren soll. Im Spiel erscheint sie Robin erst in einem Traum, aus dem er mit einem halben Edelsteinherz in der Hand erwacht. Später, nachdem die beiden Vertrauen gefasst haben, bezieht sie Robin in ihre Pläne mit ein.
Im Interview mit Artful Games sagte Christy Marx, dass diese Verquickung alter und neuer Gottheiten stark von der Merlin-Trilogie der Autorin Mary Stewart inspiriert worden sei. Dort sei der Übergang von den heidnischen Göttern hin zum Christentum ein zentraler Bestandteil der Erzählung. Sie ergänzt:
Anders als Mary Stewart stehe ich auf der Seite der heidnischen Götter. Ich bekenne mich nicht zum christlichen Glauben und habe nichts dagegen, ihm sozusagen auf die Finger zu klopfen.
Im Vergleich zu Conquests of Camelot nimmt sich Conquests of the Longbow beim Thema „Moral“ ein wenig zurück. Musste König Artus sich durch seine Taten dem Heiligen Gral gegenüber würdig erweisen, zählt für Robin in erster Linie das Lösegeld für König Richard. Zwar gibt es immer wieder moralisch unterschiedlich lösbare Momente im Spiel, doch erreicht Robin Hood hier auf jeden Fall das Ende des Spiels. Nicht zwangsläufig ein gutes allerdings.
König Artus verkörperte Adel, Mut, Tapferkeit und ähnliche Werte, während Robin für das Leben eines Geächteten, der sich durchschlägt und für Gerechtigkeit in einer ungerechten Zeit stand. Im Camelot-Spiel waren die moralischen Entscheidungen glasklar. In Longbow ist Robin Hood ein Trickbetrüger-Held, also wollte ich mehr Grautöne bei den Entscheidungen.
Artful Games 2010
Die Verquickung von Traum und Wirklichkeit – wie der in der realen Welt auftauchende Edelstein in Robins Hand – könnte Christy Marx übrigens auch wieder den alten Balladen entlehnt haben: „Robin Hood und Guy von Gisborne“ beginnt mit einem Traum Robins, in dem er von zwei Yeomen gefangen wird. Er erwacht und beschließt, diese beiden Männer zu suchen und zu bestrafen. Ein Wechsel zwischen Traum und Realität scheint damals eine realistische Möglichkeit im Denken der Menschen gewesen zu sein. Wer den christlichen, monotheistischen Glauben mit den Naturgöttern der keltischen Überlieferung in seinem Alltag in Einklang bekommt, dürfte mit dieser Vorstellung keine größeren Schwierigkeiten gehabt haben.
Die Wacht
Doch neben all die schönen Maiden und die magischen Elemente setzte Christy Marx auch die Niederungen des Vogelfreien-Handwerks. Das Spiel beginnt daher in Robins Höhle am frühen Morgen. Draußen trifft er auf Teile seiner Bande, mit denen er ein kurzes Schwätzchen hält. Sie erzählen von ihrer jeweiligen Tagesplanung und gehen dann ihrer Wege. So auch Robin, den seine ersten Streifzüge früher oder später zu einem Beobachtungsposten führen, von dem aus ein gern genutzter Pfad durch Sherwood gut zu überblicken ist.
Es gibt noch einige wichtige Punkte auf der Karte, doch der Wald selbst ist hauptsächlich ein großer grüner Wanderweg. Wer ihn einmal durchschritten hat, wählt danach für gewöhnlich über eine Karte den direkten Weg nach Nottingham, auf eine Lichtung oder zur Witwe samt ihrer drei Söhne. Klickt der Spieler auf Nottingham, wird eine zweite Karte eingeblendet, auf der wieder Punkte wie ein Pub oder die Burg eingezeichnet sind.
Doch zurück zu dem Beobachtungsposten nahe der Watling Street. Nach einiger Zeit sieht Robin unten auf dem Weg zwei Gestalten und nähert sich ihnen. Es handelt sich um einen Soldaten des Sheriffs von Nottingham und eine Frau. Diese habe die Steuern nicht gezahlt und werde deshalb nach Nottingham gebracht, um ihre Schulden anderweitig zu begleichen. Dass besagte Steuern nun schon zum dritten Mal eingetrieben werden, ficht den Soldaten nicht an. Nur natürlich, dass Robin sich dem Unrecht entgegen stellt. Natürlich? Nein.
Schon hier steht es dem Spieler frei, seine ganz eigene Version des Gesetzlosen vom Sherwood Forest zu spielen. Neben der Sierra-üblichen Möglichkeit zu sterben (wobei man sich dafür schon ganz schön verbiegen muss), können wir den Soldaten mit der Frau auch einfach weiter ziehen lassen. Oder wir sorgen mit unserem Verhalten dafür, dass die Frau erstochen wird. Wir können die Frau auch im Stich lassen und das Spiel läuft dennoch weiter. Oder aber wir retten sie und geben ihr noch ein wenig Geld aus Robins persönlichem Vorrat; Auswirkungen auf den Verlauf hat das alles erst einmal nicht. Nur der Punktestand steigt entsprechend unterschiedlich an.
Ähnlich viele unterschiedliche Optionen finden sich zuhauf in Conquests of the Longbow. Später braucht Robin eine Verkleidung und kann sie einem Bettler entweder abkaufen oder abpressen. Es ist sogar möglich, dass Marian das Spiel nicht überlebt oder dass Robin nicht genug Lösegeld für Richard Löwenherz sammeln kann. In all diesen Fällen kann der Spieler das Ende von Longbow erreichen und steht nicht wie bei Conquests of Camelot kurz vor dem Ende mit leeren Händen da. Innerhalb der Adventure-Logik bieten sich der Spielerschaft sehr große Freiheiten, seine ganz eigene Version von Robin Hood zu spielen, ohne den Spieler zu bestrafen. Konsequenzen gibt es dennoch – doch dazu später mehr.
Was wollen wir spielen 13 Tage lang?
Das große Abenteuer im Sherwood Forest teilt sich in 13 Tage auf, die allesamt in Robins Höhle beginnen. Neben der obligatorischen Watling Street, wo fast immer was los ist, muss sich der Spieler seine Tagesaufgabe teilweise suchen und erkundet Stück für Stück die Umgebung. Hier zeigt sich auch wieder die Detailverliebheit im Design und der Recherche, denn auch das geheime Keller-Gewölbe hinter dem Pub in Nottingham basiert auf realen Vorbildern. Welches Kloster als Vorlage für das Spiel gedient haben könnte, konnte ich allerdings nicht ergoogeln. Viele der Gebäude existieren heutzutage dank der Auflösung der englischen Kloster durch Heinrich VIII. nur noch als Ruinen.
Die meisten Tagesaufgaben sind nicht besonders umfangreich. Um die Mitte des Spiels herum gibt es zwei Abschnitte, die selbst geübten Spielern und Freunden einer Komplettlösung einiges an Zeit abverlangen, aber meistens lässt sich ein Tag gut erknobeln. Und zur Abrundung dieser Passage finden sich die Geächteten abends am Lagerfeuer ein und fassen ihr Tagwerk zusammen oder philosophieren ein wenig über die Welt. Sehr schön gemacht.
Die Aufgaben, die Robin vorfindet, sind sehr abwechslungsreich gestaltet. Mal muss er sich das Vertrauen der Verschwörer zu Richards Rettung erarbeiten, mal den Sheriff überlisten. Stockkämpfe gegen sehr verdächtige Mönche stehen ebenso auf dem Programm wie der Versuch, beim Wetttrinken mit dem Abt nüchtern zu bleiben. Wie befreit man Gefangene aus einem tiefen Kerker? Wie rettet man jemanden vom Scheiterhaufen? Solch spannende Fragen und meist nachvollziehbare Antworten finden sich im Spiel.
Überhaupt ist Robins Bande nicht auf den Mund gefallen. Stirbt unser Held, so melden sie sich oft mit einem Standbild und vielen guten Ratschlägen zu Wort, bevor wir neu laden dürfen. Neben allerlei Spott sind tatsächlich auch mal gute Tipps dabei, wie wir dem Problem beikommen können.
Ein was? Ein Farthing?
Schon das Vorgängerspiel Conquests of Camelot nötigte seinen Helden Artus, an vielen Stellen der Spielwelt mit barer Münze zu agieren. Auch Robin führt einen prall gefüllten Beutel mit klingenden Münzen mit sich und bringt die Pennies und Farthings im Laufe der Handlung unter das Volk. Teilweise kommt er nicht darum herum, manchmal ist es die elegantere von zwei Lösungen und ab und zu kann er auch Bettler oder arme Handwerker mit einer kleinen Zuwendung glücklich machen, während sich gleichzeitig sein Punktestand erhöht.
Leider ist es vorab wieder unmöglich, die benötigte Summe zu kennen. Am besten speichert der Spieler vorab und tastet sich dann langsam von unten heran. Auch gibt es einige Momente, in denen eine Situation bereits gelöst wurde und die Personen auseinander gehen. Wer schnell schaltet, kann noch eine Münze zücken und (wenige) Punkte einheimsen. Doch spätestens auf dem Markt wird es mit all den Protagonisten langweilig, jede Figur mit Geld zu belästigen.
Nachdem Robin im Spiel erfahren hat, dass Richard Löwenherz gefangen gehalten wird und sich Prinz John standhaft weigert, für das Lösegeld aufzukommen, spielt Geld noch eine weit größere Rolle. Robin bestiehlt nun bei einigen wenigen Gelegenheiten die bösen Buben im großen Stil. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn die Summe links oben im Bildschirm endlich nach einigen Spielstunden einen Sprung nach oben macht. Vor allem ist sie ein sehr wichtiger Faktor für das Ende des Spiels, auf das ich nachher noch eingehen werde.
Stockkämpfe und Brettspiele
Conquests of the Longbow bietet wie viele andere Adventures dieser Zeit einige Minispiele an, die den bunten Adventure-Alltag aufbrechen sollen. In vielen Fällen handelt es sich um Geschicklichkeits-Prüfungen, so manches Spiel wird als Kopierschutz eingeschoben und mit Nine Men’s Morris – hierzulande als „Mühle“ bekannt – hat sogar ein klassisches Brettspiel Einzug in Nottingham gehalten. Allen diesen Aufgaben ist gemeinsam, dass sich ihr Schwierigkeitsgrad im Menü stufenlos anpassen lässt. Wechselt beim Bogen-Turnier der Wind im höchsten Schwierigkeitsgrad noch im Sekundentakt seine Richtung und verweht Robins Pfeile, kann sich der Spieler das Minispiel auch nahezu windstill stellen. Auch der Computergegner bei Mühle wird handzahm, ziehe ich den Regler nach unten.
Mein Ergeiz für diesen Artikel war es, diese Passagen im jeweils höchsten Schwierigkeitsgrad zu bestehen. Mit Hängen und Würgen habe ich es dank vieler Spielstände bis zur letzten Prüfung geschafft – auch wenn ich den Pfeil im Turnier meiner Meinung nach nur durch einen Bug gespalten habe (so flog mein Pfeil doch dank des wechselhaften Winds fast schon zur rechts daneben stehenden Scheibe). Aber: Geschafft ist geschafft! Und dann hing unser Held wie ein nasser Sack an einer Turmmauer, während von oben Steine auf ihn geworfen wurden. Um im Tonfall des Software-Robins zu bleiben: Ich schwöre bei der Jungfrau Maria, dass ich noch niemals in einem Spiel innerhalb von so kurzer Zeit so oft gestorben bin und dabei keinerlei Schuld auf meine Reflexe geladen hatte.
Immerhin konnte ich auf diese Weise einige der wenigen gesampelten Geräusche des Spiels (einen Schrei und lautes Wasserplatschen) ausgiebig genießen, bevor ich einem begossenen Pudel gleich den Regler immer weiter nach unten drehte. Welch Schmach!
Der regelbare Schwierigkeitsgrad dieser Sequenzen war ein Einfall des Lead Programmers Richard Aronson, der aus Erfahrungen in der Familie schöpfte:
Mein Schwager war querschnittsgelähmt und spielte Sierra-Spiele mit einem Holzstab, den er sich an die Stirn band, um die Tasten zu bedienen. Doch sobald er auf eines unserer Minispiele oder eine Arcade-Sequenz stieß, musste er warten, bis eine Pflegekraft das Spiel für ihn schaffte, damit er weiterspielen konnte. Im Krankenhaus spielten Dutzende andere Menschen dieselben Spiele und standen vor dem gleichen Problem.
Als ich bei Sierra anfing, dachte ich mir: ‚Weißt du was? Viele Menschen mit verschiedenen Einschränkungen spielen unsere Spiele. Wir sollten ihnen eine Möglichkeit bieten, Minispiele mit null Punkten zu beenden, ohne den Spielfortschritt zu verlieren.‘ Wir wollten außerdem sicherstellen, dass all unsere Spiele eine Textanzeigeoption für Gehörlose bieten. Heute ist das branchenweit ein Standard, und ich bin stolz darauf, weil ich glaube, dass es vielen Menschen geholfen hat.
The Sierra Adventure
Ein neues Team
Wie im Conquests-of-Camelot-Artikel geschildert, kam Christy Marx gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Peter Ledger zu Sierra. Er war dort als Grafiker angestellt und schuf die wunderschönen EGA-Bilder des Artus-Abenteuers. Allerdings fühlte er sich auch eingeschränkt. Kein Wunder, wenn man wie er aus der Comic-Welt kommt und nun mit 16 Farben auskommen muss. In Episode 35 des Podcasts Retro Rents erzählte Marx, dass Ledger diese Limitierung so sehr hasste, dass er nie wieder an einem Spiel arbeiten wollte. Als Art Designer führte nun Ken Nishiuye das Grafikteam, der beim Vorgänger-Spiel bereits bei den Animation mitgearbeitet hatte. Neu im Team war auch der Lead Programmer von Conquests of the Longbow, Richard Aronson. Wobei er sich seinen Einstieg sicher anders vorgestellt hatte:
In meiner ersten Woche bei Sierra kam Bob Heitman zu mir und sagte: „Ich mache mir Sorgen wegen der großen Menge an Grafiken, die für dieses Spiel benötigt werden. Ich habe den leitenden Künstler und den Produzenten bereits um eine Liste der nötigen Art-Assets gebeten, aber keiner von ihnen konnte mir eine geben. Ich möchte, dass du die Storyboards durchschaust und eine vollständige Liste aller benötigten Animationen und Hintergründe erstellst, damit wir eine Vorstellung von den voraussichtlichen Kosten bekommen.“
The Sierra Adventure
Aronson programmierte also erst einmal nicht, sondern schaute sich die Entwürfe genau an. Er kam zu dem Schluss, dass das Budget um vermutlich 50 Prozent überschritten werden würde. So fielen einige Räume den Finanzen zum Opfer und die Geschichten wurden dahingehend umgeschrieben, dass die Charaktere bereits fertige Räume mehrmals an unterschiedlichen Tagen betreten. Robins Verkleidungen im Spiel dienen unter anderem als Erklärung dafür, warum er bei zweiten Besuchen nicht erkannt wird. Diese Änderungen führten dazu, dass die Programmierer diese Räumlichkeiten im Code auch mehrmals anlegen mussten, doch dafür wurde das Budget eingehalten. Was dagegen komplett unter den Tisch fiel, war eine Art Echtzeitstrategie-Spiel innerhalb von Longbow:
Ursprünglich sollte der Echtzeit-Strategie-Kampf in Christys Entwurf eine zentrale Rolle spielen. Doch als ich mir ansah, wie man in der VGA-Welt zweihundert mannshohe Figuren gleichzeitig auf dem Bildschirm bewegen könnte und wie viel Rechenleistung dafür nötig wäre, wurde mir klar: „Nein, das ist in diesem System unmöglich umzusetzen. Die verfügbare Rechenleistung reicht dafür einfach nicht aus.“
The Sierra Adventure
Diese Stelle wurde daher komplett umgeschrieben: Jeder der fünf Haupt-Begleiter Robins schlägt jeweils einen Plan vor, wie er dem Sheriff von Nottingham das Geld für Richards Lösegeld stehlen könnte. Das geht bis hin zum Vorschlag von Much, doch wilde Bären im Wald zu fangen und diese dann auf die Soldaten loszulassen. Aronson erstellte die Vorschläge für diese Pläne, Marx überarbeitete und veränderte sie und dann wurden sie ins Spiel implementiert. Nun sind statt eines eigenen Echtzeit-Parts vordefinierten Schlachten im Spiel. Je nachdem, welchen Plan Robin auswählt, kann zwischen einer totalen Katastrophe und einem grandiosen Sieg alles passieren. So viel sei verraten: Das mit den Bären läuft nicht so gut.
Aronson muss aus mehreren Gründen ein wichtiger Bestandteil für das Gelingen des Spiels gewesen sein. Nicht nur hat er – wie oben schon angeführt – Aufgaben erledigt, die gar nicht in seinen Bereich gefallen sind. Auch scheint er eine ganz eigene Lead-Philosophie gelebt zu haben:
Ich bin außerordentlich gut darin, stupide, langweilige Arbeit zu machen. Und wenn mein Team sieht, dass ich die schrecklichsten, langweiligsten Aufgaben auf mich nehme, dann meckern sie weniger, wenn ich ihnen eine andere Aufgabe gebe, die nicht interessant ist.
Classic Gamers Guild Podcast
Außerdem scheint es eine hektisch-trubelige Zeit gewesen zu sein:
In den ersten sechs Monaten bei Sierra habe ich am häufigsten gesagt: Wenn wir mehr Design hätten, könnten wir effektiver arbeiten. Denn Christy hatte für [die Fernsehserie] Babylon 5 ein großartiges Skript geschrieben – aber das war genau dann, als wir sie brauchten, um uns das Design zu übergeben. Wir taten also so viel wir eben machen konnten, denn ich glaubte nicht, dass ich dafür angestellt worden war, um das Spiel zu entwerfen.
Classic Gamers Guild Podcast
Wozu technische Neugier und Verbissenheit führen können, führt Richard Aronson im gleichen Podcast noch etwas weiter aus:
Ken Nishue kam zu mir und sagte: „Ich habe eine Idee, wie wir zum ersten Mal realistisch aussehendes Wasser in das Spiel bringen können, mit einer Palette, die 192 Blautöne enthält, aber ich weiß nicht, wie ich es programmieren soll, weil wir eine Menge Farbwechsel im Wasser brauchen. Und ich sagte, okay, das klingt nach der Art von Aufgabe, für die ich eingestellt wurde.
Ich halte mich nicht für einen großartigen Programmierer, aber ich bin ein wirklich guter Problemlöser. Und so verbrachten wir drei Wochen damit, alle Blautöne anzupassen. Da Robin Hood und Maid Marion an so vielen Orten auftauchten, befanden sie sich in der so genannten Basispalette, also in 64 Farben, die in jedem einzelnen Raum des Spiels verfügbar waren. Damit hatte jeder andere Raum andere 192 Farben, um ihn besser aussehen zu lassen. Wir haben also Untergruppen von Blautönen erstellt, und ich habe programmiert, wie sie durch jede dieser Gruppen von vier bis acht Blautönen einen Farbzyklus durchlaufen, um den Hintergrund Pixel für Pixel zu verändern, ohne dass es offensichtlich ist, was vor sich geht. Das Wasser ist überhaupt nicht in Bewegung. Wir ändern nur die Zyklen, damit es so aussieht, als würde ein Wassertropfen fallen, indem wir dafür sorgen, dass es eine Farbe gibt, die wir verwenden können, und dann musste Ken sie an vielen verschiedenen Stellen zeichnen. Ich mochte es. Ich fand es wunderschön. Und als Programmierer habe ich nun wirklich keine Ahnung von Kunst.
Classic Gamers Guild Podcast
Den Beitrag von Ken Nishue und seinem Grafikerteam kann ich gar nicht hoch genug loben. Wunderschöne Hintergrundgrafiken, sehr gelungene aufwendige Animationen und viel Abwechslung (vom Wald natürlich abgesehen) sorgen für einen wahren Augenschmaus. Umso auffälliger ist allerdings die Grafik eines kleinen Heckenlabyrinths, das Robin leider auch mehrere Male durchqueren muss. Ja, es handelt sich um ein Labyrinth und um eine Hecke, dass die Grafik also gleichförmig aussehen muss, ist mir bewusst. Aber hässlich? Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Steuerung hier plötzlich sehr zickig reagiert und das Vorankommen erschwert. Doch diese Stelle bleibt die Ausnahme und im restlichen Spiel funktionieren sowohl Steuerung als auch Grafik hervorragend. Dies gilt auch für die schöne Musik aus der Feder von Mark Seibert, der sich um zeitgenössische Klänge und Abwechslung bemüht. Auf der Seite Sierra Chest könnt ihr die Musik problemlos genießen.
Wohin führt das alles?
Wer die normalerweise erzählte Geschichte über Robin Hood kennt, weiß es bereits: Natürlich kommt Richard Löwenherz wieder zurück nach England und nimmt seinen rechtmäßigen Platz ein. Am Ende von Conquests of the Longbow nehmen des Königs Mannen Robin Hood und seine Männer gefangen und stellen ihn vor Gericht. Ähnlich wie schon bei Conquests of Calemot gibt es unterschiedliche Enden – doch während das Artus-Spiel in vielen Fällen schlicht schlecht ausgeht, weil der Gral den Spieler nicht für würdig genug einstuft, gibt es hier viel mehr Abstufungen des Ausgangs. Diese basieren auf verschiedenen Faktoren im Spiel: Wie viel Lösegeld hat Robin eingesammelt, wie freundlich und hilfsbereit war er zur armen Bevölkerung, wie viele Outlaws schaffen es bis zum Ende der Geschichte?
Es gibt vier „größere“ Enden in Conquests of the Longbow, die sich zusätzlich in Kleinigkeiten unterscheiden. Genauer ausführen möchte ich sie hier nicht, aber zwischen einem Adelstitel samt Ehefrau und dem Galgen ist viel Platz für Überraschungen bei dieser Endabrechnung. Hier finden sich dann auch all die Menschen wieder, die wir im Laufe der 13 Tage getroffen haben. Wer den Bettler für seine Lumpen bezahlt hat, kommt vor Richard besser an als ein Dieb, wer der armen Frau gegen den Soldaten beigestanden hat natürlich ebenso. Auf diese Weise ziehen die Ereignisse der letzten Spielstunden noch einmal am Spieler vorbei. All die kleinen Niederlagen und großen Siege – oder umgekehrt. Hier zeigt sich zusammenfassend schön, dass gute Spiele eine Aneinanderung interessanter Entscheidungen sind – wenn auch hier anders, als Sid Meier das gemeint hat.
Zum Abschluss
Parallel zur VGA-Fassung entwickelte Sierra On-Line auch eine EGA-Version und eine Amiga-Veröffentlichung. Letztere wurde auf acht Disketten ausgeliefert und macht mit seinen 32 Farben immer noch eine gute Figur, leidet allerdings laut des Tests von Carsten Borgmeier in der Amiga Joker 10/92 an seiner technischen Umsetzung und spielt sich schlicht zu langsam. Das Spiel bietet eine passende und schön komponierte musikalische Untermalung und an einigen wenigen Stellen gesampelte Geräusche (*platsch*), doch eine angedachte CD-ROM-Fassung samt Sprachausgabe wurde leider nie produziert. Was es gibt, ist eine ungefähr 90 Sekunden lange Demo, in der eigens dafür geschriebene Sätze vertont wurden. Zusätzlich zum Erzähler spricht nur der Sheriff von Nottingham und verflucht Robin dabei, weil dieser ihn mal wieder bestiehlt. Wobei der Begriff „Demo“ irreführend ist, denn hier läuft nur ein kurzes Filmchen ab, das nacheinander einen Waldweg, eine Lichtung samt Marian und einen Bogenturnierplatz zeigt. Der Film lief in den Läden und sollte Werbung für das Spiel machen. Die Stimmen steuerten nach guter alter Sierra-Manier Mitarbeiter bei – ob dies für die geplante Vertonung beibehalten worden wäre, ist nicht bekannt.
Die fehlende Sprachausgabe sorgte immerhin dafür, dass eine deutsche Lokalisierung nur für eine gute Text-Übersetzung sorgen musste. Alles in allem ist dies auch gelungen. Vereinzelte Ausrutscher im Satzbau oder „Seite“ statt „Saite“ bei Alans Laute sind verzeihlich.
Etwas seltsam ist, dass im oberen Bildbereich das Wort „Geächtete“ mit Umlaut steht, „Loesegeld“ allerdings ohne einen solchen auskommen muss. Bei den Münzen verzichtet das Spiel auf die englischen Bezeichnungen, baut dafür aber ein paar Apostrophe ein. Nun…
Conquests of the Longbow ist heutzutage digital problemlos erwerbbar. Wer meinen Artikel aufmerksam gelesen oder ihn auch nur überflogen hat, kann sich schon denken, dass ich diesen Ausflug nach England nur empfehlen kann. Nicht mehr auf dem Markt ist dagegen Robin Hood’s Games of Skill and Chance. Dies war eine Auskopplung der Minispiele Bogenschießen, Stockkampf und Nine Men’s Morris aus der Reihe Crazy Nick’s Software Picks, in der Sierra On-Line 1992 günstige Zweitverwertungen dieser Minispiele aus diversen Adventure-Serien auf den Markt brachte. Technisch sind diese Auskopplungen identisch mit den ursprünglichen Veröffentlichungen – was auch gut ist, weil diese Fassungen nur selten zum Kauf angeboten werden.
Der Packung beiliegend war damals auch eine Gewinnspiel-Postkarte. Wer die fünf Fragen darauf beantwortete und die Karte nach Oakhurst schickte, konnte einen Trip nach Sherwood samt Nottingham und London plus 1000 Dollar Urlaubsgeld gewinnen. Da es sich im durchaus knackige Fragen handelt, die man tatsächlich nur durch das Spiel beantworten konnte, stelle ich sie der Leserschaft natürlich gerne:
- Welches ist das abscheulichste Getränk in Nottingham?
- Wessen Schlachtstrategie nutzt wilde Bären?
- Was gibt dir des Königs Hofnarr, wenn du ihn befreit hast?
- Womit verdient die Witwe ihren Lebensunterhalt?
- Wer führt die Männer an, die den Schatz bewachen?
Wer Lust darauf hat, kann seine eigenen Antworten ja in die Kommentare schreiben.
Als Abschluss dieses Artikels noch ein Gedanke von Christie Marx aus dem Interview mit Artful Games. Nachdem sie sich in einem längeren Abschnitt Gedanken über die Säulen, aus denen Kunst entsteht, gemacht hat, schließt sie:
Ich bin eine geborene Geschichtenerzählerin. Das ist die Aufgabe, die ich liebe. Ich mag es, wenn meine Geschichten Substanz haben und nicht nur aus Floskeln bestehen. Ich strebe nach Qualität. Aber ich bin auch ein Profi. Und wenn ich dafür bezahlt werde, eine kommerzielle Arbeit zu erledigen, liefere ich das, was von mir verlangt wird, mit der höchsten Qualität, die ich im Rahmen des Auftrags erreichen kann. Schließlich müssen auch kreative Menschen ihre Rechnungen bezahlen. Einige der berühmtesten Kunstwerke der Geschichte waren Auftragsarbeiten. Michelangelo wollte die Decke des Apostolischen Palastes nicht malen, aber der Papst zwang ihn, und das Ergebnis ist die Sixtinische Kapelle.
Artful Games 2010
Wird es irgendwann noch ein Adventure von Christy Marx geben? Wird sie die Conquest-Serie (wenigstens spirituell) fortsetzen? Nun, in praktisch jedem Interview, das ich gelesen oder gehört habe, ist sie durchaus angetan von der Idee. Ob es nun an fehlenden Studios und der Finanzierung liegt oder ob Marx nur zu höflich ist, um ihren Spielefans „Nie wieder!“ zu sagen, kann ich nicht sagen. Doch ich persönlich glaube nicht daran. Was schade ist, denn neben der Idee mit der griechischen Mythologie gibt es noch weitere Möglichkeiten:
Ich würde gerne die Conquest-Reihe fortsetzen und habe Karl den Großen als Kandidaten im Hinterkopf, aber ich würde auch gerne eine starke Frau aus der Geschichte nehmen, um die ich ein Spiel aufbauen kann. Außerdem würde ich auch gerne eine Geschichte im Hollywood der 1920er Jahre zur Zeit der Stummfilme spielen lassen. Ich liebe diese Zeitspanne. Ich habe eine unglaubliche Schwäche für Rudy Valentino.
Artful Games 2010
Ein Laura-Bow-Spiel aus der Feder von Christy Marx? Das wäre was.
Für mich eines DER Meisterwerke von Sierra! Ich liebe einfach alles an dem Spiel: Die Aufgaben, die Minispiele, die Geschichte, die Charakterzeichnung, die grafische Gestaltung. Es ist einfach DAS Robin Hood Spiel schlechthin. Vor allem sind hier auch die Tode sehr nachvollziehbar und gefährliche Stellen kündigen sich auch früh genug an.
Wenn man im Leben nur ein Sierra-Spiel spielen sollte, dann dieses.
Ich habe viele positive Erinnerungen an das Spiel, die allerdings auch schon 30 Jahre her sind. Dein Artikel weckt den Wunsch in mir, nochmal in die Haut von Robin Hood zu schlüpfen. Vielen Dank für die vielen Hintergrundinformationen, das war mal wieder sehr interessant!
Oh ha, Du lobst ein Sierra-Spiel? Der tag muss rot im Kalender angekreuzt werden!
Na klar, ich lobe ja auch immer Gabriel Knight 1.
Aus meinerSicht der beste Artikel, den ich je über eines meiner Lieblingsspiele gelesen habe und meiner Meinung auch der beste Artikel von Jürgen bisher. Danke, der Text war phänomenal.
Was für ein großartiger Artikel zu einem großartigen Spiel!
Ich liebe ja die Conquests-Serie sehr (also die beiden Teile) und was mit Camelot schon so gut begonnen hat, wird mit Robin Hood zu einem echten Meilenstein!
Der Artikel zeigt wunderbar, wieso das Spiel ein Meisterwerk ist, und so werde ich da das verdiente Lob an Conquests of the Longbow nicht nochmals wiederholen.
Ein Spiel, das unbedingt jede Top-10-Liste der klassischen Adventures gehört.
Vielen lieben Dank. Schön, dass ich die Faszination ein wenig vermitteln konnte. Auch wenn es bei dir natürlich nach Athen getragene Pinguine sind.