Nach einer Reihe hervorragender Grafik-Adventures mit kombinierter Texteingabe-/Mausbedienung erweiterte Legend Entertainment ihr Repertoire. Lasst uns gemeinsam prüfen, ob das gelungen ist!
Legend Entertainment war bei ihrer Gründung angetreten, das Textadventure-Genre zu bewahren und weiter zu entwickeln. Dass das von Anfang an ein schwieriges Geschäft war, habe ich bereits in einem früheren Artikel erwähnt, aber dennoch schlug sich die Firma dank hoher Qualität ihrer Werke sehr wacker. Zu den eigenen Ideen kam mit Frederik Pohl’s Gateway 1992 die erste Lizenz, und obwohl das Spiel von drei Designern entwickelt wurde, für die es jeweils das erste eigene Spiel war, wurde es ein äußerst gelungener Titel. Aber auch Legend konnte sich den geänderten Marktbedingungen nicht ewig in den Weg stellen, weshalb 1993 mit Companions of Xanth ihr ersten Spiel mit einer rein graphischen Oberfläche auf den Markt kam.
Companions of Xanth
Designer Michael Lindner stemmte hier nach seiner Feuertaufe mit GatewayDas Cover ist sehr gelungen. (Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum)zum ersten Mal eigenverantwortlich ein Spiel, auch wenn Bob Bates wieder als „Lenker und unterstützender Game Designer“ gelistet wurde. Als bekennender Fan der Reihe wünschte sich Lindner die Xanth-Lizenz, die Legend auch problemlos erwerben konnte. Parallel zum Spiel arbeitete Piers Anthony, der Autor der Bücher, am 16. Band seiner Reihe namens “Demons don’t Dream”, der als Grundlage dienen sollte. Passenderweise geht es im Buch um zwei Menschen, die durch ein Computerspiel namens Companions of Xanth in Anthonys‘ magische Welt gezogen werden und dort Abenteuer erleben. Das Buch erschien im Januar 1993 und im November 1993 konnten die Leser dann das darin beschriebene Spiel tatsächlich erwerben! So geht Marketing. Wobei die Idee natürlich nicht eins zu eins funktioniert, da das Adventure auch eigenständig spielbar sein musste und deshalb noch einen kleinen Umweg geht.
Das Spiel beginnt in unserer Welt. Unser Alter Ego namens Dug sitzt in seinem Zimmer vor dem Computer. So wie wir vor seinem Spiel. Wer möchte, kann hier bestimmt eine wichtige Erkenntnis daraus ziehen, aber das überlasse ich jedem Leser selbst. Jedenfalls wird Dug von seinem Kumpel Ed angerufen, der ihn zu einer obskuren Wette auffordert: Wenn der Computerspiel-Muffel Dug auch das neue tolle Spiel namens Companions of Xanth nicht mag, dann bekommt er Eds Motorrad geschenkt. Andernfalls darf Ed Dugs Freundin nach einem Date fragen. Mal davon abgesehen, dass diese Freundin sowieso zwei Spielminuten zuvor Schluss gemacht hat, gibt es trotz Multiple-Choice-Optionen letzten Endes nur die Möglichkeit, die Wette anzunehmen.
Kurz darauf findet Dug das Päckchen mit dem Spiel auf seiner Hausschwelle und installiert es auf seinem PC. Wenn er denn anno 2023 noch weiß, dass er die Laufwerksklappe noch verriegeln muss – daran bin ich ein paar Minuten lang gescheitert, bis ich die Klappe auf dem Bildschirm zufällig erwischt hatte. Ist diese Hürde aber überwunden, taucht auf dem Bildschirm ein Kerlchen namens Grundy auf, der uns ins Spiel ziehen möchte. Und damit wir in Xanth nicht so alleine vor uns hin rätseln müssen, darf sich Dug einen von vier Gefährten erwählen. Zur Auswahl stehen höchst unterschiedliche Gestalten. Das reicht von einem menschlichen Wesen namens Jenny über einen Zentauren und eine Dämonen-Lady in knapp geschnittener Kleidung hin zu Nada Naga, einem Mischwesen aus Schlange und Frau. Es gibt keinen Hinweis auf eventuelle Vorteile einer bestimmten Figur (mal abgesehen davon, dass Letztere auf dem Cover des Spiels abgebildet ist), also könnt ihr nach Vorliebe wählen. Oder?
Nein, ganz klar nein. Startet ihr das Spiel im Spiel, betretet also die Welt Xanth, nicht mit Nada, ist das Spiel nach ein paar Klicks direkt im ersten Raum vorbei. Grundy verhöhnt euch noch ein wenig, dass ihr gefälligst beim nächsten Versuch weise wählen sollt und dann dürft ihr neu laden. Tja. War das ursprünglich mal anders gedacht? Sollten vier verschiedene Lösungswege angeboten werden? Wäre natürlich möglich, aber Nadas spezielle Fähigkeiten werden bei einigen Rätseln ganz bewusst eingesetzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Michael Lindner die Energie und vor allem die Zeit hatte, sich für drei weitere Figuren hier andere Lösungen auszudenken. Eventuell ging Lindner auch einfach davon aus, dass jeder Spieler automatisch die bereits aus den Büchern bekannte Nada Naga wählen würde. Immerhin taucht sie in mal kleineren, mal größeren Rollen in zehn Bänden auf. Und im zugrunde liegenden Buch spielt Nada genau diese Rolle, wie ihr im beigelegten Roman auch nachlesen könnt. Aber wer wie ich seine ersten Companion-Erfahrungen ohne dieses Vorwissen gemacht hat, wird fast unweigerlich erst einmal vor den Kopf gestoßen.
Nachdem sich also Dug ganz und gar freiwillig Nada als Begleiterin ausgesucht hat, betritt er Xanth zum ersten Mal. Dort werden ihm mehrere Dinge klar: Weil er nicht an die reale Existenz dieser magischen Welt glaubt, erscheint er dort als Computer-Bildschirm, der natürlich nicht selber eingreifen kann. Und: Er ist nicht der einzige Spieler von unserer Welt. Ein Mädchen namens Kim ist ebenfalls im Spiel und jagt mit ihrem eigenen Xanth-Gefährten einem nicht näher genannten Preis hinterher. Sie ist allerdings in ihrer realen Gestalt unterwegs und scheint Dug auch sonst einige Schritte voraus zu sein. Was beide nicht ahnen und wir als Spieler in Zwischensequenzen erfahren: Die beiden Dämonen X(A/N)th und E(A/R)th streiten sich um die Vorherrschaft in Xanth und lassen ihre jeweiligen unwissenden Champions für sich wettstreiten.
Ab und zu begegnen sich Kim und Dug im Laufe der (recht linear erzählten) Geschichte. Den größten Teil Xanths erkundet ihr aber alleine. Und da gibt es einiges zu entdecken. Denn Anthony und damit auch Lindner setzen auf Abwechslung – und auf Wortspiele. Viele, viele Wortspiele. Zum Beispiel begegnet ihr recht früh im Spielverlauf einem Censor-Ship, das ein friedlichen Dorf unterdrückt, also zensiert. Entsprechend sind die Dialoge dort teilweise ausgepiept. Die Lösung (solution) dieses Rätsels ist eine solution (Flüssigkeit), die ihr in einem Eimer transportieren müsst. Besagten Eimer könnt ihr treten, also die Redewendung “kick the bucket” in die Tat umsetzen. Und zack ist das Spiel vorbei, weil in Xanth nichts sprichwörtlich, aber alles wortwörtlich gemeint ist.
Um diese Lösung zu bekommen, sucht Dug in typischer Adventure-Manier (aber mit Xanth-Touch) die Zutaten zusammen, redet lang und breit mit der männlichen Fairy Nuff und befreit das Dorf vom Censor-Ship. Dann aber geht die Reise erst richtig los. Wie so häufig in Fantasy-Welten gibt es in Xanth Regionen, die sich an den Elementen orientieren. Und dann wartet ja noch der gute Zauberer Humfrey auf uns. Langweilig wird es Dug und Kim hier bestimmt nicht.
Neue Optik, alter Komfort
Trotz der neuen graphischen Präsentation schlägt ein typisches Legend-Herz in der Engine-Brust. Mit einer Automap-Funktion und einem Undo-Button oder der Kompassrose versuchen Michael Lindner und sein Team, das Spiel so zugänglich wie möglich zu machen. Fahrt ihr mit dem Mauszeiger über einen Gegenstand, schlägt euch das Spiel direkt die wahrscheinlichste Eingabe vor. Oder ihr klickt euch aus den angezeigten Verben und den Gegenständen in Inventar und Bild eigene Befehle zusammen. Ihr könnt auch jederzeit mit Nada sprechen, indem ihr “Talk to” drückt und dann ihr Portrait wählt. Das solltet ihr ebenso oft tun wie ihr im Com-Pendium, dem integrierten Nachschlagewerk, blättert. Auf beiden Wegen erhaltet ihr wertvolle Hinweise für Rätsel. Alle Gespräche sind übrigens vertont – wobei Dug wie so oft on solchen Spielen stumm bleibt. Alle Stimmen sind sauber aufgenommen und recht passend, allerdings wirken ihre Sätze für heutige Ohren teilweise abgelesen, während andere Stimmen mit Übereifer bei der Sache waren.
Wortspiele
Die Rätsel. Ja, die Rätsel. Die können ein Problem sein. Schlicht, weil sie fast immer auf Wortspielen beruhen. Was bei der Vorlage kein Wunder ist, ist doch ganz Xanth durchtränkt davon. Ein schönes Beispiel ist hier die catastrophe – Eine Plakette mit einem Katzenhintern darauf. Fragezeichen? Ich auch. Die Auflösung lautet cat-ass-trophy. Oder küssende Tulpen, weil tulips ja auch two lips ausgesprochen werden könnte. Der mir vorliegende Band “Dämonen-Spiele”, also die deutsche Übersetzung von “Demons don’t Dream” scheitert natürlich gnadenlos an solchen Wortspielen, aber Übersetzer Ralph Tegtmeier gibt sich wirklich alle Mühe. Auf seiner Wikipedia-Seite habe ich während der Recherche für diesen Artikel gelernt, dass er auch eine Aleister Crowley-Biographie geschrieben hat und unter Pseudonym Bücher über Magie geschrieben hat. Immer wieder spannend.
Aber zurück zu den Wortspielen. Die sind natürlich auch im Spiel vorhanden und machen es für Nicht-Muttersprachler zu einem reinen Ratespiel. An einer Stelle spuckt der Com-pewter (jawoll, ein Wortspiel!) einzelne Buchstaben aus und stellt ein Rätsel. Zum Beispiel fragt es nach einer xanthischen Frucht, die Blindheit verursachen kann. Dazu gibt es das Hinweiswort “seat”. Füttern wir den Com-puter mit dem Buchstaben “D”, kommt als Lösung “Blind Dates” raus. Ich hab den Witz bis jetzt immer noch nicht kapiert. Ja, seat durcheinander gewürfelt plus ein “D”, schon klar. Aber der Rest?
Zum Glück gibt es auch ein paar wenige Rätsel, die weniger wortlastig sind. Zum Beispiel diese beliebten Streichholz-Puzzle. Oder diese Spiele, in denen wir aus mehreren Einzelteilen ein größeres Objekt zusammensetzen müssen. Aber die sind nur zur Abwechslung da – weiter geht es mit Wortspielereien und -rätseln. Oder einfach nur Witzen wie “Du ahnst nicht, wie viele Krähen ihr Leben für diese Stange gelassen haben”, wenn wir ein Brecheisen, also eine crowbar bekommen. Ich wage die Aussage, dass kein deutschsprachiger Spieler dieses Spiel ohne Komplettlösung oder kompletten Haarverlust durchgespielt hat. Und das trotz der – wie oben schon angeklungen – wirklich gelungenen Steuerung, die vieles vereinfacht.
Das Drumherum
Die schicke Verpackung war prall gefüllt. Da aber die Spiele-Box im Spiel (wie im Inventar oben im Bild zu sehen) eine gepixelte Variante der “echten” Verpackung Ist das ein Schwert oder freust du dich, uns zu sehen? war, wird in der Anleitung extra noch auf folgendes hingewiesen:
Zusätzlich zu diesem Handbuch sollte Ihr Spielpaket die folgenden Elemente enthalten: Set mit vier 3-Zoll-High-Density-Disketten, Garantiekarte und das Taschenbuch “Demons don’t Dream” von Piers Anthony. Ihr Spielpaket enthält nicht die 3-D-Brille oder Com-Pendium, die im fiktiven Spiel innerhalb des Spiels kommen.
Besagte Anleitung hat auch keine Angst vor großen Zahlen, denn für die Installation
wird folgendes geraten: “Make sure you have at least 8,000,000 bytes of free space on your hard drive.”
Falls ihr das Glück habt, eine vollständige Fassung des Spiels online zu einem vernünftigen Preis zu finden, dann liegt der Packung auch der der Geschichte zugrunde liegende Roman bei. In der Version, die ich gefunden hatte, fehlte er leider. Sein Cover ist auf jeden Fall gelungener als die deutsche Fassung, die ich für diesen Artikel erworben habe. Im Buch sind Dug und Kim fast gleichwertige Protagonisten. Fast abwechselnd beschäftigt sich ein Kapitel mit Dug und Nada, bevor sich im nächsten Kapitel Kim und ihr Companion Jenny durch die Welt von Xanth schlagen. Diese Abschnitte sind im Spiel extrem eingedampft worden und meistens zu selbst ablaufenden Zwischensequenzen degradiert worden. Leider sind diese nicht in der hübschen gezeichneten Grafik gehalten, sondern in schlecht gealterten Filmschnipseln. CD-ROM-Zeitalter eben.
Das phantastische Cover des Spiels, das euch schon subtil Richtung Nada Naga schubst, stammt von Cathleen Thole, die sich in den letzten Jahren eher Richtung Kinderbuch-Illustration orientiert hat. Auf der Seite von Kathleen Temean gibt es ein kurzes Interview mit ihr aus dem Jahre 2010, in dem sie ein wenig über ihre Herangehensweise ans Malen spricht und ein paar ihrer Bilder zeigt. Unter anderem eines zu Star Wars Galaxies.
Der ruhmreiche Spieler, der den Abspann des Spiels erreicht, wird noch mit einigen launigen Outtakes der Sprecher-Aufnahmen belohnt, bevor er wieder zurück in seine eigene langweilige Welt geworfen wird und sich ein wenig von all den Wortwitzen erholen darf.
What might have been
Auf der Legend-Seite (Stand Januar 1997) wurde Companions of Xanth als Legends populärstes Spiel bezeichnet. Außerdem wurde als zukünftiges Projekt der Titel Magic of Xanth angeteasert, der aber anscheinend nie in Produktion ging. Wenn wir davon ausgehen, dass sich das Spiel wieder auf den jeweils aktuellen Anthony-Roman bezogen hätte, wäre das entweder ein Spiel zu Faun & Games oder zu Zombie Lover geworden. In letzterem Roman verliebt sich der König der Zombies in ein junges Mädchen, das überraschenderweise nichts von ihm wissen will. Hätte Potential, die Geschichte.
Die Presse konnte mit dem neuen Legend-Stil nur bedingt etwas anfangen. So schrieb Petra Maueröder (heute natürlich eher als Petra Fröhlich bekannt) in der PC Games 8/94 durchaus positiv: “Per Maus klicken Sie sich zusammen mit Ihrer Begleiterin Nada Naga durch die Xanth-Welt, halten hier ein Schwätzchen mit einem Eimer, basteln dort ein Katapult und erfreuen uns an den spektakulären Wortspielen, wie sie zur Zeit nur Legend in dieser Perfektion beherrscht.”, gibt dem Spiel aber eine glatte 70. Und Heinrich Lenhardt postulierte mit einer Wertung von 63 Punkten in der PC Player: “Vom kleinen Hersteller feiner Text-Adventures zum Produzenten von Grafik-Mittelmäßigkeiten – irgendwie habe ich mir Legends neues Spielsystem eindrucksvoller vorgestellt. Voll überzeugen kann eigentlich nur die Bedienung.”
Und wer wäre ich denn, dass ich Meister Lenhardt widersprechen würde? Companions of Xanth macht seinen Job als Umsetzung der Xanth-Welt hervorragend, aber Einschränkungen im Vergleich zu den Textadventures aus dem Hause Legend sind natürlich nicht von der Hand zu weisen. All die vielen Möglichkeiten, unsinnige Dinge auszuprobieren, sind hier eingedampft. Und der Fokus auf die typischen Anthony-Wortspiele macht es mir unmöglich, einfach nur die Story zu genießen. Vielleicht habe ich ja mit dem nächsten Spiel mehr Glück.
Teil 2: Bob Bates und die CIA
Teil 3: Frederik Pohl’s Gateway-Reihe
Teil 4: Companions of Xanth
Teil 5: Death Gate
Teil 6: Superhero League of Hoboken
Teil 7: Shannara
Teil 8: Mission Critical
Teil 9: Star Control 3
Teil 10: Callahan’s Crosstime Saloon
Teil 11: John Saul’s Blackstone Chronicles
Teil 12: The Wheel of Time
Teil 13: Unreal 2 und das Drumherum
(Dieser Artikel erschien zuerst am 14. April 2023 auf GamersGlobal)