Colossal Cave

Roberta Williams ist älteren Gamer-Semestern als Designerin einiger klassischer Adventures in wohliger Erinnerung: King’s Quest und Phantasmagoria gehen zum Beispiel auf ihr Konto. Ihre Liebe zum Genre erwachte, als ihr Mann Ken Williams eines Abends einen Apple II nach Hause brachte und sie Colossal Cave Adventure zu Gesicht bekam. In diesem Textadventure-Urvater erkundet der Spieler eine große Höhle und sucht allerlei Schätze. Roberta war fasziniert und wollte etwas Vergleichbares, aber Besseres schaffen. Der Rest ist Geschichte. Was lag für das Duo also näher, als diesen Sierra-Urknall zum Ausgangspunkt und zur Richtschnur ihrer Rückkehr auf die Gaming-Bühne zu machen?

Altes Spiel – neu gedacht

Das am 19. Januar 2023 erscheinende Colossal Cave lehnt sich sehr stark an das Original an: Spielziel ist die Suche nach Schätzen in der namensgebenden Höhle. Die knappen Texte der alten Version wären für heutige Spieler natürlich zu wenig, aber sie waren das Sprungbrett für das neue Spiel, wie auch der Untertitel ausdrückt: „Reimagined by Roberta Williams“. Wir erforschen die Höhle aus der Ego-Perspektive in 3D und sehen all die Dinge, die früher keinen Platz in RAM und ROM hatten, nun mit eigenen Augen. Die Geräuschkulisse des Spiels ist unaufdringlich bis kaum vorhanden – das gilt auch für Musik, die sich auf wenige Takte in einigen Räumen beschränkt.

Zu Beginn stehen wir in der Nähe eines Brunnenhauses. Wir finden erste Gegenstände für unser Inventar und einige leere Regale, in denen wir später die Schätze ablegen können. Einige Meter weiter ist der Zugang zur Höhle. Natürlich abgesperrt. Aber mit den gerade gefundenen Schlüsseln ist das kein Problem. Bis hierhin haben wir schon alle Interaktionsmöglichkeiten des Spiels kennengelernt: Mit dem Auge-Symbol betrachten wir Dinge, mit dem Hand-Symbol sammeln wir Gegenstände ein oder klettern zum Beispiel Leitern rauf und runter. Was wir schließlich mit den Gegenständen im Inventar anfangen können, sollten Adventure-Spieler erahnen können. Besagtes Inventar ist mit seinen sieben Plätzen sehr klein geraten und sorgt an einigen Stellen für Engpässe. Da ist es schon fast ein Glück, dass zufallsgesteuert ein Pirat auftaucht und uns Schätze raubt. Als braver Bösewicht verrät er uns aus freien Stücken, dass er sich im Höhlenlabyrinth versteckt. Dort können wir also alles wieder einsammeln.

Was als ganz normaler Höhlen-Ausflug beginnt, wandelt sich schnell zu einem Sammelsurium an unterschiedlichen Stilen. Es gibt Tropfsteinhöhlen, antike Bauten oder einen orientalisch anmutenden Raum. Dazwischen kommen wir an Stellen vorbei, die mit modernen Leitern, Lampen und Plastikstühlen ausgestattet sind. Ein paar Kammern weiter stehen wir plötzlich vor einer Sagengestalt oder im Haus eines Riesen. Das sorgt zwar für Abwechslung, aber eine Erklärung für dieses Durcheinander dürft ihr nicht erwarten. Außerdem existiert hier in begrenztem Maße Magie, die ihr an einigen Stellen für Abkürzungen nutzen könnt, sofern ihr den richtigen Zauberspruch gefunden habt. Oh, und zum Glück bietet uns der nette Erzähler an, uns im Falle eines Falles wiederzubeleben, zum Beispiel weil wir irgendwo runtergefallen sind. Und das in einem Spiel von Roberta Williams! Wir stehen dann zwar wieder vor dem Brunnenhaus, aber ein wenig Strafe muss wohl sein.

Wes Herd dies auch sei

Die Spielwelt ist zwar abwechslungsreich gestaltet, aber natürlich ist alles unter Tage angesiedelt. Ob einfache Stollen, mit Pilzen überwucherte Höhlen oder Heime von Sagengestalten: alles ist liebevoll gestaltet, aber nicht besonders ausgearbeitet. Zum Beispiel tauchen häufig missgelaunte Zwerge aus dem Boden auf, bewerfen uns mit Äxten oder Messern und verschwinden dann wieder in der Erde. Der Boden ist aber vor und nach dem Angriff unberührt und nur ein paar Erdbrocken erinnern an den Besucher.

Während des Angriffs können wir wie eingefroren nur abwarten, ob der Gegner uns trifft. Erst dann können wir selbst mit der hoffentlich im Inventar vorhandenen Waffe zurückschlagen. Sehr häufig werfen die Gesellen daneben, aber ein Treffer bedeutet das sofortige Spielende. Es kommt auch durchaus vor, dass innerhalb von einer Minuten drei Angriffe der Zwerge ausgelöst werden und der Sprecher den immer gleichen Spruch erzählt. Das wirkt nicht mehr nur komisch, das bremst das Spielgeschehen erheblich aus. In die gleiche Kategorie fällt die Lampe, die wir bei der Höhlenerkundung zwingend benötigen. Auf den ersten Höhlenmetern schalten wir sie an und sollten sie tunlichst so belassen. Denn selbst Räume, in denen ein Herdfeuer flackert oder die von Laternen beleuchtet werden, werden ohne unsere Lampe stockdunkel.

Nur nicht verlaufen

Die wichtigsten Gegenstände des Spiels sind der Kompass und die Karte. Selbst in den abwechslungsreicher gestalteten Gebieten verliert der Spieler ganz schnell die Orientierung, wenn er durch die Höhle wandert. Das Kompassband am oberen Bildschirmrand ist hier eine große Orientierungshilfe. Das Spiel kartographiert auf Wunsch automatisch mit und behält ebenfalls auf Wunsch die bereits kartographierten Teile der Höhle bei einem neuen Spiel-Durchgang bei. Das bietet sich schon allein deshalb an, weil die Lampe, mit der wir die Höhle erkunden, nach einer Weile zu flackern beginnt und einige Minuten später ausgeht. Spielende. Es sei denn, wir haben den Batterien-Automaten in einer der Höhlen gefunden und unsere wertvollen Münzen, die wir gerade erst gefunden haben, für Nachschub geopfert. Dann wiederum haben wir aber keine Chance mehr, die Höchstpunktzahl zu erreichen. Colossal Cave ist im ersten Durchgang also schlicht nicht zu schaffen und braucht mehrere Anläufe, um die Spielwelt zu kartographieren und um die kürzesten Wege auszutüfteln.

Fazit

Die von mir gespielte PC-Version bietet neben der sparsamen englischen Sprachausgabe Untertitel in Deutsch an, die im Laufe meiner Testphase mit jedem Patch besser wurden und mittlerweile nahezu fehlerfrei sind. Zumindest Technisch gibt es bis auf den verstaubten Look wenig auszusetzen. Doch stellt sich mir die Frage, für welchen Spielertyp Colossal Cave heutzutage noch geeignet ist. Die für die Quest 2 angekündigte VR-Version wird die Immersion in die Spielwelt erhöhen, trotzdem ist Colossal Cave im Kern ein über 40 Jahre altes Spiel ohne große Rätsel. Was bleibt ist eine große, ziemlich leere Höhle. Wer einen Walking Simulator mit ein paar Rätseln in einer abwechslungsreich gestalteten Umgebung sucht, wird hier fündig. Aber ob diese Zielgruppe so groß ausfällt? Ich zähle mich jedenfalls nicht dazu.

  • Walking-Simulator mit wenigen Rätseln
  • Einzelspieler
  • Für Einsteiger
  • Preis:31,99 Euro (Epic Games Store), 38,99 Euro (Steam)
  • In einem Satz: Altertümliches Spielprinzip, das auf Dauer wenig Spaß bietet

Dieser Artikel erschien zuerst am 18. Januar 2023 auf GamersGlobal.de

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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