Buch-Rezension: Terrible Old Games…

Selten war ein Buchtitel treffender. Stuart Ashen stellt vor: Terrible Old Games You’ve Probably Never Heard Of. Und das ist auch gut so!

Bestenlisten gibt es im Netz viele – und nur die wenigsten sind so abwechslungsreich, wie sie unser Nischenliebhaber gestaltet. Auch im Buchbereich werden eher die Glanzlichter der Spiele-Geschichte abgefeiert, als dass die Kellerkinder ans Tageslicht gezerrt werden. Doch damit ist jetzt Schluss! Stuart Ashen wirft grelle Scheinwerfer-Lichter auf einige der schlimmsten Design-Sünden, die zu 8- und 16-Bit-Zeiten verbrochen wurden. Und das auf gelungen-unterhaltsame Art. Denn was ist besser als ein schön geschriebener Verriss? Genau: Ein von einem Briten schön geschriebener Verriss.

Wir hatten ja nichts damals!

Der Autor war mir vor diesem Buch kein Begriff. Im Internet ist Stuart Ashen aber bekannt. Sei es auf seinem Youtube-Kanal oder als Schauspieler in schwarmfinanzierten, von ihm selbst geschriebenen Filmen – auch als Comedian soll er schon auf britischen Bühnen gesichtet worden sein. Dieses 2015 erschienene Büchlein, über das ich hier schreibe, ist damals aus dem Wunsch heraus entstanden, sich auch schriftlich zu verewigen. Hier versammeln sich einige persönliche „Lieblinge“ des Autors und einiger Gast-Schreiber. Wir müssen also auf die üblichen Verdächtigen verzichten: Hier gibt es keinen Artikel über E.T.

Teilweise geht Ashen so weit, ursprünglich unveröffentlicht gebliebene Spiele wie Killjoy für den Amiga abzuhandeln. Was in diesem Fall aber vollkommen in Ordnung geht, denn er hat den Titel selbst geschrieben, als „zu schlecht für eine Freeware-Disc“ verworfen und sich dann lieber anderen Aktivitäten zugewandt. Killjoy war also so gesehen der Startpunkt seiner Karriere. Mich erinnert das Spiel übrigens sehr an Prohibition, das ich auf dem CPC sehr gerne gespielt habe.

In den 1980er Jahren waren die ersten Budget-Label trotz teilweise bestenfalls durchwachsener Software-Qualität sehr erfolgreich. Es ist also kein Wunder, dass sich im Buch auch einige Titel tummeln, die damals für knapp zwei britische Pfund verkauft wurden. Oder für Systeme wie den Acorn Electron erschienen sind. Oder – wie im Falle von Licence to Kill gleich beide Eigenschaften in sich vereinen. Das Spiel kann ich nicht beschreiben. Schaut es euch einfach im Video an… Dass der Titel auf Youtube übrigens Licenced to Kill heißt, geht schon in Ordnung. So ist es auf dem Bildschirm zu lesen – auf der Packung dagegen wie von mir geschrieben.

System Shock!

Die (west-)deutsche Heimcomputer-Ära der 1980er ist vom C64 geprägt. Daher könnte sich der ein oder andere Leser verwundert die Augen reiben, wenn er die im Buch behandelten Systeme überfliegt. Da ist sehr viel CPC, BBC Micro oder ZX Spektrum dabei. Letzteres System hat die zweifelhafte Ehre, die schlechteste Version der sowieso schon schlechten Highlander-Versoftung zu beherbergen. Linkerhand sehen Sie Beweisstück A. Der am Boden kauernde Charakter hat normalerweise kein Entengesicht, aber das ist ja sowieso das geringste Problem, das das Spiel angeblich haben soll. Diese Sinclair-Fassung bietet all das schlechte Gameplay der anderen 8-Bitter, müht sich aber redlich, dank fehlender Sprite-Farben den letzten Platz zu erlangen. Verdient gewonnen!

Weil es so schön ist, gibt es hier zum Vergleich noch die CPC-Fassung der gleichen Szene. Wer von euch nun sagt: „Highlander? Betrug! Den Titel kenne ich doch schon!“, der sei beruhigt. Bis auf einen weiteren Titel waren mir die restlichen Spiele völlig unbekannt. Es gibt also für jeden geneigten Leser genug neue schreckliche Spiele zu entdecken.

19 Texte von Ashen und sieben Besprechungen von anderen Autoren decken alle möglichen Genres und Systeme ab. Wer also Spaß an kurzen Verrissen hat, die gerne auch mal ins Anekdotische wechseln, blättert voller Freude durch das schön bunt gestaltete Buch.

Falls ihr euch fragt, welches Spiel dem Buch sein Cover zu verdanken hat: Hunter aus dem Jahre 1995 war ein Titel für Ataris 8-Bit-Systeme. Die deutsche Firma Power per Post nutzte den nachlassenden Spiele-Nachschub für die veralteten Systeme gnadenlos auf und brachte diese uninspirierte Tierjagd unters darbende Volk. Dass selbst solche Titel irgendwann Sammlerwert haben können, beweist ein ebay-Verkäufer – zumindest hofft er darauf. Wer sich genauer mit dem Titel auseinander setzen möchte: Im Atari Magazin 94/06 gibt es auf Seite 32 eine kurze „Besprechung“ des Titels. Wenn ich das richtig sehe, sind sowohl die Redaktion als auch der Autor des „Kurztests“ Teil des Entwicklers. Sozusagen ein Advertorial.

Dicke Dinger!

Terrible Old Games… kommt im praktisch-quadratischen Format daher. Mit 15 auf 15 Zentimetern erfüllt es nicht das Kriterium des klassischen Coffee-Table-Books, aber dafür sehen in diesem Format die Screenshots nur schlimm und nicht zum Davonlaufen aus. Mit 192 Seiten ist es auch viel dünner als zum Beispiel ein Lustiges Taschenbuch, aber das geht bei diesem Inhalt auch voll in Ordnung. Was dagegen etwas stört: Am Ende des Buches warten Seiten über Seiten klein gedruckte Namen der Schwarm-Finanzierer. Natürlich sollen sie eine Wertschätzung für ihre gute Tat bekommen – aber wenn ich um die 30 Seiten wieder abziehen kann, fühlt sich das Buch eben trotzdem weniger gut an.

Das Buch war erfolgreich oder beliebt genug, um einen Nachfolger zu gebähren: 2017 erschien Attack of the Flickering Skeletons, das derzeit aber nicht lieferbar ist. Es soll im Dezember 2024 in einer Neuauflage erscheinen. Und ich werde es mir ganz sicher kaufen.

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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4 Comments on “Buch-Rezension: Terrible Old Games…”

    1. Das Schlimmste daran: Ich wusste während des Schreibens schon, dass dieser Kommentar kommen wird. Wird Zeit für ein weiteres Buch 😉

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