In meiner persönlichen Spieler-Laufbahn sind mir nur wenige Sätze dauerhaft im Gedächtnis geblieben. „Help me, Robin!“ aus Super Robin Hood, „I agree, Sire“ aus Civilization II oder „Wololo“ aus Age of Empires. Ein einziges Spiel schafft es in meinem Hirn auf gleich zwei Einträge: Diablo. Viel zu oft höre ich bei Neuzugängen auf unserem Discord-Server eine Stimme, die „Ah, fresh meat“ gurgelt. Und ganz selbstverständlich meldet sich bei ungeduldigen Familienmitgliedern, die mir einfach nicht zuhören wollen, Deckard Cain und murmelt „Stay Awhile and Listen“.

Kein Wunder also, dass ich freudig das gleichnamige Buch bestellte, als ich seiner gewahr wurde. Dessen Autor David L. Craddock war mir tatsächlich kein Begriff – und so richtig schlau bin ich bis heute nicht. Auf seiner eigenen Webseite bietet er zwar einige Bücher an, doch in seiner News-Abteilung spricht er von einem Online-Bundle von 37 seiner Bücher, das Mitte 2024 angeboten wurde. Eine solch lange Liste habe ich nirgendwo gefunden. Eins aber ist mir klar geworden: Craddock hat eine erkleckliche Anzahl an Games-Büchern geschrieben. Schauen wir mal, ob dieses hier etwas taugt.
El Condor Pasa
Das Buch setzt in der Frühphase der Firma Condor ein. 1993 von David Brevick, Erich Schaefer und Max Schaefer gegründet, verdingte sich das Team erst einmal als Umsetzungs-Werkstatt. Condor arbeitete an Konsolen- respektive Handheld-Versionen von NFL Quarterback Club ’95 und Justice League Task Force, während die Idee für ein eigenes Rollenspiel Gestalt annahm. Wobei das, was später als Diablo auf den Markt kam, nicht mehr viel mit den ersten Entwürfen zu tun hat.

David L. Craddock zeichnet die lange Entwicklungsphase ausführlich nach. Er hat für sein Buch sehr viele Interviews mit allen relevanten Beteiligten geführt und zitiert ausführlich daraus. Die frühe Design-Phase samt der Suche nach einem Publisher auf diversen Messen und das Aufeinandertreffen mit Blizzard wird ausgiebig thematisiert. Die ständige Ablehnung ihres Konzepts ist natürlich ein hervorragender Aufhänger für ein Buch, in dem es um den letztlichen Triumph der Marke Diablo geht. Auf diesen Seiten wird auch ein frühes Pitch-Dokument erwähnt, das von Hand zu Hand ging, aber eben keinen Publisher besonders begeisterte, bis sich Condor und Blizzard über den Weg liefen und sympathisch fanden.

Zitate, Zitate, Zitate

All dies samt der späteren Entwicklungsgeschichte und der Umbenennung des Studios in Blizzard North erzählt Craddock minutiös nach. Freunde vieler Zitate kommen in diesem Buch auf ihre Kosten, denn die knapp 50 Menschen, mit denen er im Rahmen seiner Recherche gesprochen hat, sind sehr präsent. Es gibt durchaus Seiten in diesem Buch, auf denen vier Zeilen von Craddock und 20 Zitat-Zeilen abgedruckt sind. Teilweise verbindet der Autor schlicht die Zitate miteinander. Das sorgt einerseits für authentische Eindrücke, aber eine zusammenhängende Geschichte muss sich der Leser schon selbst zusammen puzzeln. Natürlich findet sich schon alles, doch ein wenig mehr Auswahl bei den Äußerungen und dafür etwas mehr durchgehende Craddock-Erzählung hätten nicht geschadet. Wenn drei Leute direkt nacheinander davon erzählen, dass die Firma in einer Phase sehr sehr knapp bei Kasse war, dann bringen die Zitate zwei und drei keinen Erkenntnisgewinn mehr. Viele Aussagen sind auch relativ lang und hätten um einige Zeilen gekürzt werden können. Auch hier: Gut für das Stimmungsbild, nicht optimal für den Lesefluss.
Mit einem Wust von Zitaten rund um Diablo 1 endet das Buch denn auch. Denn der noch erfolgreichere Nachfolger wurde von Craddock in einem eigenen Buch gewidmet. Diablo 3 und auch Teil 4 hat der Autor noch kein eigenes Buch gewidmet, wobei die verschlungene Entstehungsgeschichte des dritten Teils auch einiges an Stoff böte.
Die 318 Seiten des Buchs bieten ein einziges Bild. Das findet sich ganz hinten bei „About the Author“ und zeigt entsprechend David L. Craddock. Weitere Abbildungen sucht der geneigte Leser vergeblich, was ich schade finde. Da es von dem Buch zwei Versionen gibt (die von mir erworbene Narrative Edition und die Legendary Edition) hoffte ich, dass sich in der teureren Variante auch Skizzen oder ähnliche Dinge finden. Doch laut Beschreibung, bietet sie einfach noch mehr „narrative“: Mehr Zitate und vollständige Interviews.
Fazit
Stay Awhile and Listen Book 1 – Narrative Edition hinterlässt bei mir einen zwiegespaltenen Eindruck. Normalerweise halte ich Zitate für eine gute Herangehensweise, um ein Gefühl für die Spiele-Entwicklung zu bekommen. Hier übertreibt Craddock allerdings maßlos und reißt mich ständig aus der Erzählung. Die sehr große Schrift und die übertrieben langen Interview-Auszüge wirken so auf mich manchmal wie Seitenschinderei. Andere Leser mögen dies anders sehen und sind vermutlich froh über das angenehme Gefühl, eine Seite schnell gelesen zu haben. Ich habe in die Leseprobe des Nachfolge-Bands gelesen und der Titel wirkt wesentlich aufgeräumter. Dummerweise sind nur die ersten paar Seiten und das Ende des Buchs enthalten. Ob Craddock seiner Zitate-Wut auch dort wieder frönt, kann ich daher nicht beurteilen und lasse deshalb die Finger von Stay Awhile and Listen Book 2, obwohl Diablo 2 mein Lieblingsteil der Reihe ist.

Danke für die schöne Zusammenfassung, die mir allerdings nicht unbedingt Lust darauf macht, das Buch zu lesen.