Buch-Vorstellung: Attack of the Flickering Skeletons

Es gab sie schon immer: Spiele, die nie hätten veröffentlicht werden sollen. Da es sie aber nun einmal gibt, darf und sollte man nicht nur vor ihnen warnen, sondern kann auch solchen Schrecken einige lustige Momente abgewinnen. Auf Papier. Bloß nicht auf dem Bildschirm!

Oh Schreck! Oh Schreck! Ein Bücher-Check!

Attack of the Flickering Skeletons ist in zweierlei Hinsicht bereits ein wenig älter: Es ist die Fortsetzung des ebenfalls schon ein paar Jahre alten Titels Terrible Old Games You’ve Probably Never Heard Of, und außerdem erschien es ursprünglich bereits 2017. Weil es aber jahrelang nicht lieferbar war und die Neuauflage jetzt erst auf meinem Nachttisch gelandet ist, folgt meine Einschätzung eben nun. Da das Buch dank der teilweise sehr alten Spiele darin sowieso zeitlos ist, passt es sowieso immer.

Das Grundprinzip des ersten Buchs bleibt unangetastet: Stuart Ashen stellt Spiele vor, von denen der getreue Leser im günstigsten Fall noch nie gehört hat. Das reicht von Pac Man-Klonen wie Munchman bis hin zu dem Playstation-Wrestling-Titel WCW/NWO Thunder. Wobei der Schwerpunkt auf 8-Bit-Systemen und den 1980er Jahren liegen. Die Gründe, warum die Spiele nichts taugen, sind erfrischend unterschiedlich. Das erwähnte Munchman zum Beispiel bietet neben schlechter Grafik, praktisch nicht vorhandener Gegner-KI und piepsigen Geräuschen auch ein ganz besonderes Feature: Es lässt sich nur beenden, wenn die eigene Figur mindestens einmal im ersten Level stirbt. Denn es reicht nicht, alle Punkte einzusammeln. Erst, wenn nach dem Ableben zusätzliche Punkte auf dem Spielfeld erscheinen, ist die Munchman-Programmierung zufrieden. Vermutlich ist die falsche Punktzahl einprogrammiert… Ist aber an und für sich sowieso egal, denn Level zwei sieht genau gleich aus wie Level eins und spielt sich auch so.

Die namensgebenden flackernden Skelette stammen aus Domain of the Undead – einem Spiel, das gerne Ghosts ’n‘ Goblins wäre, aber dem Klassiker in keiner einzigen Disziplin das Wasser reichen kann. Die Skelette flackern in diesem Spiel tatsächlich so stark, dass sie nur jeden zweiten Frame dargestellt werden. Entsprechend gibt es Bildschirmfotos, auf denen nur ein Skelett zu sehen ist, obwohl zwei unserem Helden gerade ans Leder wollen. Weil dieser Effekt bestimmt extrem rechenintensiv ist, wurden auch fast keine anderen Gegner eingebaut. Irgendein Fliege-Viech – vermutlich der nächtlichen Stunde wegen eine Fledermaus – ist auch noch da. Reicht ja, oder?

Zwar bemüht sich der Autor um Abwechslung, was die behandelten Systeme betrifft, doch als waschechter Brite hat er für Kontinentaleuropäer unverhältnismäßig viele Spektrum-Spiele im Buch. Ist aber halb so schlimm, da er normalerweise auch auf die Umsetzungen auf bei uns bekanntere Systeme eingeht.

Neu! Jetzt noch schlimmer!

Im Vergleich zu seinem ersten Buch hat Stuart Ashen noch ein paar Kategorien und Kästchen mehr eingebaut. Ob die immer wiederkehrende Frage, wie man das Spiel im echten Leben spielen könne, so richtig lustig ist? Nein. Doch die entsprechenden Zeilen nehmen nicht viel Platz weg und rufen doch manches Mal ein Mundwinkelkräuseln hervor. Ein Glück, dass Ashen auch echten Rat zu geben hat und bessere Alternativen zu den missglückten Spielen anzubieten hat. Im Falle von Munchman wäre dies für das Acorn-System Snapper. Das läuft entschieden flüssiger und lässt sich tatsächlich so beenden, wie Gott sich das für einen Pac-Man-Klon vorgestellt hat.

Weitere schöne Kategorien im Buch sind eine Arcade Hallo of Shame, gesammelte wirklich hässliche Packungsbilder, oder auch ein Battle Royale der C64-Umsetzungen von Spielhallen-Titeln. Schön ist auch die Fortsetzung zu einem Artikel aus dem Vorgängerbuch, in dem sich Ashen mit dem Spektrum-Spiel SQIJ! rumgeschlagen hat und hier neue Erkenntnisse mit uns teilt. Meine Lieblings-Abschnitte sind im Inhaltsverzeichnis als „Interview“ aufgeführt, doch im Buch nennen sich die Gastbeträge anderer Autoren „The most disappointing game I ever bought“. Zum Einen bringt jeder Autor ein wenig Abwechslung in Ashens doch sehr sarkastischen Stil, zum Anderen wären mir sonst Perlen wie Kris Kross: Make my Video oder VIZ: The Computer Game entgangen. Letzteres Spiel treibt der Beschreibung nach den Furz-Witz zu immer neuen Höhen und basiert auf einer britischen Comic-Serie, die seit 1979 auf dem Markt ist.

Die Neuauflage des Buchs hat ein anderes Format als der Vorgänger. Erst habe ich das auf die Neuauflage geschoben. Doch nach ein wenig Internet-Recherche bin ich schlauer und schon der Vorgänger war größer als der erste Band. Das bedeutet: 100 Quadratzentimeter mehr! Okay: Dafür ist es auch anteilig teurer, doch die lesbarere Schriftgröße, das wieder sehr schicke Glanzpapier und die NOCH GRÖSSEREN BILDSCHIRMFOTOS sind den Aufpreis wert. Dieses Mal gehen auch weniger Seiten für Kickstarter-Unterstützer drauf, was ich sehr begrüße. Die flackernden Skelette sind also wieder ein hervorragend gestaltetes Buch für Freunde des britisch-sarkastischen Humors, die immer mal wieder ein paar Seiten lesen möchten und den Titel dann beiseite lesen. Wer versucht, das Buch in einem Rutsch durchzulesen, könnte schwere Belastungsstörungen entwickeln. Und daran wollen weder Stuart Ashen noch ich schuld sein.

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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