2021 sammelte Ryan Slattery auf Kickstarter über 6000 US-Dollar ein, um Betrayed Alliance – Book 2 mit feiner Musik unterlegen zu können. Sein letztes Strech-Goal der Schwarmfinanzierung: Den ursprünglich 2013 erschienenen Vorgänger zu überarbeiten. Und den schaue ich mir hier mal an.
Slattstudio
Natürlich fiel Betrayed Alliance – Book 1 damals nicht fertig vom Himmel. Bereits 2007 begann Ryan Slattery mit der Programmierung des Spiels – und erst gut sechs Jahre später erschien Version 1.0. Inspirieren ließ sich Slattery von den klassischen Sierra-Adventures um 1990 herum, die auf der SCI0-Engine basierten. Wobei besonders die Reihe Quest for Glory Eindruck auf Slattery hinterlassen haben muss, wie wir nachher noch sehen werden.
Nach Vollendung des Spiels nahm der Designer erst einmal Abstand von Fortsetzungen. Seine ursprünglich geplante Geschichte hatte er mit Book 1 gerade einmal zu einem Drittel erzählt, doch das Auf und Ab einer Hobby-Entwicklung hatte ihm zugesetzt. Statt weiteren Spielen konzentrierte er sich aufs Schreiben und veröffentlichte mit The Stitcher und Upheaval zwei Romane. Erst 2019 ging er daran, die Trilogie zu vervollständigen. Was ihn nicht davon abhielt, mit Version 1.3.1 noch vor Erscheinen des zweiten Spiels Teil eins noch einmal aufzupolieren. So etwas hätte es unter Ken Williams niemals umsonst gegeben – doch Slattery bietet die Spiele tatsächlich vollkommen kostenfrei an. Die zum Zeitpunkt dieses Artikels aktuelle Version trägt die Nummer 1.3.2, doch auch mit der ursprünglichen Fassung hatte ich keine Schwierigkeiten.
Es war einmal

In einer mittelalterlich angehauchten Welt liegen zwei Königreiche seit langen Jahren im Krieg. Nun soll Frieden geschlossen werden durch die Heirat des Königs der Südlande mit der Königstochter des Nordens, Julyn. Und schon sind wir holter-di-polter im Spiel. Ein Textfenster teilt uns mit, dass wir gerade dem Kerker entflohen sind; fälschlicherweise wird uns vorgeworfen, dass wir die Prinzessin entführt haben sollen. Na, dann schauen wir uns mal um, befreien die Prinzessin und beweisen damit unsere Unschuld.
Betrayed Alliance steuert sich ganz wie die alten Sierra-Spiele: Die Spielfigur wird mit der Maus oder den Cursortasten über den Bildschirm gescheucht. Ein Rechtsklick fördert eine Beschreibung des jeweiligen Gegenstands zu Tage. Alles andere funktioniert nur über das Eingabefenster, also über Befehle wie „take book“. Auch Gespräche funktionieren nach dem Muster „ask about moustache“. Das ist für heutige Spieler gewöhnungsbedürftig – schon allein weil einige der 150 erreichbaren Punkte nur mit obskuren Eingaben erzielt werden können, auf die zumindest ich nicht alleine gekommen wäre.

Die Umgebung

Auf seinem Weg zur Prinzessin kommt unser Held durch eine kompakt gestaltete Welt mit verstreuten Häusern wie einem Gasthof, einem Hafengebäude (in dem seltsamerweise bündelweise Briefe gelagert werden), dem Friedhof, Höhlen, einem Teich und ähnlichen Orten. Verbunden sind sie mit kahl wirkenden Bildschirmen, auf denen außer Gras und ein paar Felsen selten etwas zu finden ist. Auf einigen Bildschirmen patrouillieren Wachen – doch zu diesem Spielelement komme ich später. Die Karte ist im Spiel aufrufbar und bietet im Laufe der Zeit mehrere Schnellreisepunkte.

Bedenkt man das Alter der Engine und damit die technischen Möglichkeiten, auf denen Betrayed Alliance basiert, ist die Grafik beeindruckend. Schon die Urfassung von 2013 macht keine schlechte Figur, doch hat Slattery für die Neubearbeitung die beiden Grafiker Karl Dupéré-Richer und Brandon Blume herangezogen, die viele der Hintergründe massiv aufgewertet haben. In den beiden Bildern, die diesen Abschnitt einrahmen, ist der Friedhof des Spiels zu sehen. Er spielt eine recht prominente Rolle und unser Protagonist ist doch einige Male dort unterwegs. Umso schöner, dass er nun auch was zu sehen hat.

Minispiele!

Betrayed Alliance bietet neben der reinen Rätselkost auch anderweitige Zerstreuungen. Soweit ich sie gefunden habe, sind die eingebauten Minispiele nie reine Unterhaltung. Stattdessen bieten sie dem siegreichen Helden Belohnungen, die im weiteren Spielverlauf sehr nützlich sind. Der Schwierigkeitsgrad schwankt stark: Ist das Schachspiel nur eine Denksportaufgabe, so lässt mich das Dartspiel immer noch ratlos zurück. Und das, obwohl der Entwickler laut eigener Aussage hier den Schwierigkeitsgrad zwischen den beiden Fassungen schon sehr runtergeschraubt hat. Der eingebaute Arcade-Automat namens Sailboat Xtreme ist auch nicht von Pappe, lässt sich allerdings mit einer Zusatz-Belohnung austricksen. Ansonsten hilft nur Übung.

Weiter oben habe ich bereits die Wachen erwähnt, die in der Welt patroullieren. Tritt unser Held Ihnen in den Weg – oder, was wahrscheinlicher ist, die Wachen erwischen ihn bei einem ganz harmlosen Spaziergang, kommt es zum Kampf samt eigenem Bildschirm. Die Möglichkeiten sind begrenzt: Wir visieren den Gegner entweder auf Kopf-, Brust- oder Beinhöhe an. Blocken ist ebenso möglich wie die Flucht. Und das war es dann auch. Nach einer kleinen Weile ist alles vorbei – und wenn unser Kämpe noch steht, kann er dem Toten noch einige Goldstücke abnehmen, die erstaunlich oft in dieser Welt gebraucht werden. Zum Beispiel für Heiltränke, von denen ich eine beachtliche Menge verwendet habe.
Zusätzlich gibt es noch Hindernisse in der Welt, die sich nicht durch Inventarrätsel aus dem Weg räumen lassen. Zum Beispiel müssen wir in einem Höhlensystem Wege schaffen, auf denen uns unser Gegner nicht erreichen kann. Auch gilt es, Verschiebe- oder Farbkombinations-Muster zu knacken. Doch keine Sorge: Irgendwo in der überschaubaren Welt gibt es Hinweise auf genau diese Stelle, die ihr gerade nicht lösen könnt.
Fazit
Wie das so ist mit Liebesbriefen an die Vergangenheit: Manchmal ist der Adressat nicht mehr der Mensch von damals. Sei es die Mischung aus direkter Figurensteuerung und Parser-Befehlen, seien es unfaire Stellen, seien es seltsame Kletter-Animationen: Wer solche Dinge heutzutage nicht mehr auf seinem Monitor sehen möchte, hat alles Recht der Welt dazu. Die Geschichte mit der Prinzessin ist nicht sonderlich originell, aber sie dient sowieso bis kurz vor Schluss nur als Karotte vor der Nase, die uns zu anderen, drängenderen Problemchen führt. Auf der Habenseite steht eine bunte Welt mit netten kleinen Begebenheiten und viel Humor. Wer mal wieder ein klassisches Sierra-Adventure spielen möchte, kommt hier sehr nahe dran.
Ich für meinen Teil bin sehr zufrieden mit dem Spiel. Natürlich habe ich an einigen Stellen geflucht – doch das gehört dazu. Nun lehne mich gemütlich zurück und freue mich auf den zweiten Teil, in dem ich gleich mit zwei Figuren durch die Gegend ziehen darf. Hoffentlich lässt der Abschluss der Trilogie dann nicht zu lange auf sich warten.

Das Spiel habe ich auch zweimal durchgespielt, einmal die Version von 2013 und einmal die neue.
Es ist eine Reise in die Vergangenheit, besser gesagt ins Jahr 1989/1990.
Ich hätte es allerdings besser gefunden, die klassische P&C Sierra Steuerung umzusetzen und auf den Parser zu verzichten, denn einige Rätsel sind schon arg weit hergeholt, und ohne Lösung wäre ich einige Male lange stecken geblieben.
Da es kostenlos ist, sollte jeder Parser-interessierte Spieler mal reinschauen.
Ich sehe das mit dem Parser genauso und hoffe, dass es bei Crimson Diamond nicht so abwegig wird wie hier.
Während ich mich schon auf Book 2 freue, war für mich das Remaster eine willkommene Möglichkeit, Book 1 nochmals durchzuspielen. Ich liebe einfach die SCI0-Ära von Sierra mit den tollen EGA-Grafiken, den großartigen MT32-MIDI-Soundtracks und natürlich dem Parser, der auch während des Tippens das Spiel pausiert (gut, kann man in ScummVM als Option auch bei den AGI-Spielen haben).
Jedes Mal, wenn ich Betrayed Alliance spiele, habe ich auch Lust, den SCI-Companion zu installieren und auch sowas zu machen. 😉
Ich mag die klassische Fantasy-Atmosphäre des Spiels. An Quest for Glory kommt es nicht ran aber das ist okay. Ich kann es sehr empfehlen.