Disclaimer: Die Besprechung beruht auf der Deluxe Edition von Ara – History Untold, die zusätzliche Anführer enthält, und meinen Spielerfahrungen nach etwas über 20 Spielstunden. Sie ist daher ein erster Eindruck. In Kürze soll der erste große Patch erscheinen, im Anschluss wird der Test aktualisiert.
Das 4X-Genre erfreut sich großer Beliebtheit. Civilization 6 wird weiterhin rege gespielt, der siebte Teil wurde mittlerweile für Februar 2025 angekündigt. Das aus meiner Sicht hervorragende, gerade auch was die oft eher schwache KI angeht, Old World wird regelmäßig mit Erweiterungen versorgt. Humankind führte, aus meiner Sicht leider eher schlecht als recht, Zeitalter ein. Und Millennia machte unter anderem mit Anno-typischen Produktionsketten auf sich aufmerksam. Mit Entwickler Oxid Games unter der Flagge von Xbox Game Studios möchte ein weiterer Player das Genre aufmischen: Bei Ara – History Untold gehören Regionen und Zonen, umfangreiche Produktionsketten, außergewöhnliche Nationenführer und sogar Innovationen bei der Forschung zum Programm. Ob ihr die Geschichte von Ara – History Untold auf eurem PC erzählen solltet, verrate ich euch in diesem Test.
Titel: | Ara: History Untold |
Erscheinungsdatum: | 24.09.2024 |
Plattformen: | Windows (geplant für: XBox Series X|S) |
Entwickler / Herausgeber: | Oxide Games / Xbox Studios |
Homepage: | https://www.arahistoryuntold.com/ |
Das grundlegende Spielprinzip
Ara – History Untold ist ein 4X-Strategiespiel. Falls ihr mit dem Begriff nichts anfangen könnten: Die 4X stehen für eXplore, eXpand, eXploit und eXterminate. Ihr wählt zu Beginn einen Anführer aus und steuert dessen Nation durch drei Akte mit jeweils vier Zeitaltern, von der Antike bis in die nahe Zukunft. Jedes Zeitalter öffnet neue Forschungsfelder und damit auch Gebäude und Einheiten. Gestartet wird zwar ohne eine Siedler-Einheit, dafür aber mit einer festen Siedlung und einem Späher. Um gewinnen zu können, benötigt ihr Prestige, das ihr durch Events, Triumphe (die Weltwunder in Ara), Forschung oder erfolgreiche Kriege sammelt. Die unbedeutendsten Führer, darunter nicht selten auch eurer, fliegen nach Akt 1 und Akt 2 raus und ihre Städte zerfallen.
Statt Hexfeldern setzt Ara auf Regionen, die jeweils aus mehreren Zonen bestehen. Das Zugsystem funktioniert nach dem „WEGO“-Prinzip: Jeder Spieler gibt zeitgleich Befehle, die er auch jederzeit innerhalb der Runde wieder ändern kann. Erst am Rundenende werden diese dann berechnet und ausgeführt. Eine weitere Besonderheit ist das sehr ausgefeilte Warenketten- und Produktions-Gameplay, das mit seinem Micromanagement in der Komplexität sogar Millennia übertrifft.
Ein Spiel mit Persönlichkeit(en)
Es beginnt mit der Wahl eines Anführers. Euch stehen im Basisspiel bereits über 40 Persönlichkeiten zur Verfügung. Neben einigen üblichen Verdächtigen wie Bismarck (Deutschland) gibt es auch erfrischende Persönlichkeiten wie den Strafrechtler Cesare Beccaria (Italien) oder Eva Perón (Argentinien). Mit der Deluxe-Edition kommen fünf weitere dazu, etwa Karl der Große (Heiliges Römisches Reich) und Hildegard von Bingen (Deutschland).
Jeder Anführer hat mindestens drei, eher aber vier oder fünf Eigenschaften. Die bringen euch zumeist Vorteile (zum Beispiel schafft „unabhängig“ in den Nicht-Hauptstädten zusätzlichen Wohnraum), manchmal aber auch Nachteile. Bismarck etwa ist pragmatisch, was die Forschung in eurer Hauptstadt reduziert. Dazu kommt eine einmalige Eigenschaft des Anführers. Der Perser Xerxes I. erhöht beispielsweise das Truppenlimit pro kontrollierter Stadt um eins und seine Streitwägen und Kavallerie sind kampfstärker.
Gerade in den ersten Partien ist mir die Auswahl sehr schwer gefallen. Anders als in Civilization bestimmt ihr mit der Anführerwahl zwar nicht den Sieg, den ihr anstreben solltet, etwa Kultursieg oder Wissenschaftssieg, denn es geht ja „nur“ um Prestige. Ihr solltet die Boni aber bestmöglich auf die Straße bringen. Und so passen die Anführer dann doch zu unterschiedlichen Spielstrategien oder sind sogar fast schon zwingend auf diese ausgelegt. So erhöht die Eigenschaft „staatsmännisch“ Wohlstand und Zufriedenheit in euren Städten – allerdings nur in Friedenszeiten.
Die Vielfalt der Anführer gefällt mir ausgesprochen gut. Ich habe schon mehrere ausprobiert und nicht ansatzweise das Interesse an den verschiedenen, damit begünstigten Spielmöglichkeiten verloren. Wie genau das Balancing ausfällt, was gerade im Multiplayer wichtig ist, kann ich nicht abschließend beurteilen. Ihr werdet aber nach etwas Suche sicher einige Persönlichkeiten finden, die wunderbar zu eurem Spielstil passen. Als netter Touch lässt sich aus drei Optionen die Bekleidung der Figur wählen.
Spielvorbereitung und Einstieg
Euer frisch gewählter Anführer braucht natürlich eine Welt zum erobern. Die lasst ihr anhand bestimmter Parameter zufällig erstellen oder wählt einen vorgefertigten Kartentyp wie „Globulous“ mit zwei Kontinenten oder „Große Seen“ mit mehreren Binnenmeeren. Eine Zufallsauswahl der vorgefertigten Karte und unsere Mutter Erde gibt es allerdings noch nicht. Größe und Nationenzahl lassen sich ebenso einstellen wie der Schwierigkeitsgrad.
Was die Änderung des Schwierigkeitsgrads jedoch genau bewirkt, liegt etwas im Nebel. Die Wahl namens „Grossherzog“ (ohne Boni) liegt deutlich über der normalen Schwierigkeit „Graf“. Von Civilization kommend, das für Kenner wohl erst bei massiv gebuffter KI langsam herausfordernd wird, habe ich den höheren gewählt und mehrmals richtig auf die Mütze bekommen. Eure Städte sind schwerer bei Laune zu halten und die KI zog mir in Sachen Prestige davon. Ara ist mit seinen Produktionsketten ein recht kleinteiliges Spiel und während die KI mit steigendem Schwierigkeitsgrad ein immer besseres Min-Maxing betreibt, war und bin ich noch dabei, mich darin einzuarbeiten. Also habe zwei Stufen heruntergestellt. Die „Prinz“ genannte Schwierigkeitsstufe ist immer noch zwei Stufen über „normal“ und meines Erachtens ein machbarer und fordernder Startpunkt für 4X-erprobte Spieler. Als Gelegenheitsspieler solltet ihr „nur“ auf dem normalen Schwierigkeitsgrad starten. Als echter Experte könnt ihr euch vielleicht auch an etwas höhere Stufen heranwagen. Da sich Ara jedoch deutlich anders als Civilization spielt, würde ich es nicht übertreiben.
Den Spieleinstieg soll euch ein Tutorial erleichtern. Das bringt euch die Basics näher. Schön: Wenn ihr eine neue Partie startet, könnt ihr das Tutorial fortsetzen und euch nur neue Hinweise einblenden lassen. Leider ist das Tutorial dann aber doch etwas rudimentär und ihr lernt nicht alle Details. Beispiel: Die Kampfstärke von Truppen, die ihr aufstellt, hängt von dem Sicherheitswert der Stadt, in der ihr sie aufstellt, ab. Das Tutorial schweigt sich darüber aus und in dem Tooltip für Sicherheit steht es auch nicht. (Grundsätzlich sind diese kleinen Pop-Ups aber sehr hilfreich.) Die benötigte Info findet sich nur in der Encarta, die thematisch sortiert ist und auch eine Suchfunktion bietet. Das könnte man noch besser lösen.
Regionale Vielfalt und Stadtmanagement
Ara – History Untold lässt euch nicht mit einem Siedler und einem Krieger auf einer Hexfeldkarte starten. Eure Hauptstadt ist bereits errichtet und ein Kundschafter steht bereit, die Welt zu erkunden, Kontakte zu knüpfen, Tiere zu erlegen (bringt Ressourcen) und die verschiedenen Typen der „Goody Huts“, die ebenfalls Ressourcen liefern, zu plündern. Die Welt ist in organisch geformte Regionen aufgeteilt, die wiederum aus zwei bis sechs Zonen bestehen. Eure Einheiten ziehen von Region zu Region. Interessanterweise gibt es zwar Berge, die ein natürliches Hindernis darstellen, Hügel gibt es in der Welt von Ara jedoch nicht.
In jede Zone lässt sich eine Verbesserung, sprich ein Gebäude, stellen. Bestimmte Gebäudetypen innerhalb einer Region sorgen für Synergieeffekte, so dass ihr beim Errichten vorausplanen solltet. Kornspeicher oder Brunnen sind gut für Höfe einer Region. Wohnungen baut ihr am besten in der Startregion der jeweiligen Stadt. Das artet aber nicht so aus wie die Planung einer Stadt in Civilization 6. Wenn eure Stadt wächst, könnt ihr unter anderem neue Regionen beanspruchen. Es gibt aber offenbar ein Distanzlimit von drei Regionen zur Hauptregion der Stadt.
Manche Zonen beherbergen bestimmte Ressourcen, zum Beispiel könnt ihr dort mit einem passenden Gebäude Wein, Weizen oder Weihrauch abbauen. Es gibt auch Regionen mit mehreren Ressourcenvorkommen. Die sollten dann letztlich auch bestimmen, wie ihr die Region ausbaut, etwa mit vielen Höfen und dazu passenden Bauwerken. Mit neuen Technologien werden weitere Rohstoffe wie beispielsweise Eisen aufgedeckt.
Für den Bau von „Projekten“, also Verbesserungen (Gebäude), Triumphen, Spezialisten wie Siedlern und militärischen Einheiten benötigt ihr regelmäßig eines oder mehrere der Standardgüter. Also Nahrung, Vermögen, Holz, Materialien und manchmal auch noch Spezialressourcen. Diese erhaltet ihr direkt in dem Moment, in dem ihr eine Region beansprucht. Mit bestimmten Bauten wie dem Holzfäller könnt ihr den Ertrag einer Region sogar noch verdoppeln. Bei manchen Verbesserungen (Gebäuden) mit Spezialressource habt ihr auch die Wahl, ob ihr etwa mehr Nahrung wollt oder lieber die Spezialressource, beispielsweise bei den Weinreben. Bei Schäfereien habt ihr die Wahl zwischen zwei Ressourcen: Möchtet ihr lieber Wolle (hilft zum Beispiel bei der Seilproduktion) oder doch lieber Schafe (für die Fleischerei) erhalten? Das könnt ihr jederzeit umstellen.
Das Zonensystem stellt mich bereits bei der Stadtgründung und dann bei jedem Beanspruchen einer neuen Region vor eine spannende Wahl: Möchte ich aus taktischen Gründen eine bestimmte Region beanspruchen? Möchte ich erst bestimmte Ressourcen erhalten oder mich in Richtung bestimmter Ressourcen vorarbeiten? Nehme ich die Region mit vielen Zonen, um ein Industriegebiet hochzuziehen oder doch lieber die Region mit nur zwei Zonen, die dafür direkt viel Nahrung, Holz, Vermögen und Materialien abwirft? Die Entscheidungsoptionen, die das Regionensystem bietet, haben es mir angetan. Straßen, sobald deren Bau möglich ist, baut ihr einfach automatisiert zwischen zwei Städten. Das kostet Materialien und Zeit.
Eine wachsende Stadt sorgt aber nicht nur für mehr Regionen, sondern schaltet auch Spezialisten frei, die eure Verbesserungen boosten. Leider wird wohl auf nicht zugewiesene Spezialisten nur im Stadtbildschirm hingewiesen und ihr könnt auch ohne Warnung die Runde beenden. Schließlich könnt ihr eine wachsende Stadt mit immer mehr „Annehmlichkeiten“ versorgen, die ihr herstellt, findet oder erhandelt. Ihr müsst sie auch nutzen, denn sie steigern (neben bestimmten Verbesserungen wie Kasernen, Triumphen und temporär auch Events) die Lebensqualität in eurer Stadt, die mit zunehmender Größe oder durch bestimmte Gebäude negativ beeinflusst wird. Der Stall senkt etwa die Gesundheit um fünf Punkte. Diese ist der entscheidende Wert für den Wachstum. Zur Lebensqualität gehören dann noch Zufriedenheit, Wissen, Wohlstand und Sicherheit. Sind die Werte zu niedrig, gibt es Abzüge zum Beispiel auf die Steuereinnahmen. Bei hohen Werten gibt es Boni. Und die Lebensqualität hilft entscheidend dabei, ein Goldenes Zeitalter einzuläuten, das euch wiederum Boni auf Prestige-Gewinne in dieser Zeit gibt.
Die Zahl eurer Städte ist begrenzt, anfangs auf drei. Das Limit könnt ihr erhöhen, beispielsweise mit dem Wechsel der Regierungsform auf Monarchie (fünf) oder Republik (sieben), oder auch durch den Bau eines Palastes.
Annehmlichkeiten und viele andere Güter müsst ihr erst herstellen. Das führt mich zum wahrscheinlich komplexesten und für 4X-Strategie ungewöhnlichsten Teil von Ara – History Untold, nämlich den Produktionsketten und Waren.
Produktionsketten und Waren
Der Aufbau von Produktionsketten und der Einsatz der hergestellten Güter ist aus meiner Sicht die Kern-Gameplay-Mechanik von Ara. Denn sie nimmt einen großen Teil eurer Zeit sowie eures Hirnschmalzes in Anspruch und ist letztlich entscheidend dafür, wie ihr im Rennen um das höchste Prestige abschneidet.
Den Abbau der Spezialressourcen habe ich euch schon vorgestellt. Manchmal habt ihr die Wahl: Wollt ihr etwa die Spezialressource Fisch oder doch lieber schlicht Nahrung? Manchmal gibt es auch nur die Ressource wie beispielsweise Kamele. In Verbesserungen wie Werkstätten (und deren Ausbaustufen, denn die Bauwerke lassen sich mit der Zeit upgraden) stellt ihr, abhängig von eurem Wissensstand, Waren her, beispielsweise Seile. Jede Verbesserung kann nur eine Ware gleichzeitig herstellen. Ihr könnt der Werkstatt aber zum Beispiel den Befehl geben, erst fünf Seile, dann fünf Steinwerkzeuge und dann unendlich Körbe herzustellen. Es ist aber leider nicht wie in Rimworld möglich, Waren immer bis zu einem bestimmten Warenbestand herstellen zu lassen, um sich dann einer anderen Ware in der Liste zu widmen und anschließend, sollte der Warenbestand der wichtigeren Ware wieder sinken, diesen mit Priorität erneut aufzufüllen. Da sehe ich Patch-Potential.
Eine Ware oder auch eine Annehmlichkeit herzustellen, kostet Zeit. Den Zeitbedarf senkt ihr, indem ihr der herzustellenden Ware Güter zuführt. Die Grundressourcen, vor allem Vermögen, könnt ihr regelmäßig hinzugeben. Zum Beispiel nutzt ihr Nahrung, um die Annehmlichkeit „Festmahl“ (fördert Nahrungsgewinnung und Wachstum der Stadt) zu erlangen. Möglich ist auch die Beimischung von Sirup. Es gibt immer mehrere Slots zur Beschleunigung, in die ihr meist verschiedene Produkte hinzufügen könnt. Das macht ihr jeweils pro herzustellender Ware in einem Gebäude. Die Ressourcen zur Beschleunigung werden dabei verbraucht. Sehr angenehm ist, dass ihr im Tooltip sehen könnt, wieviel einer Ware ihr derzeit im Schnitt pro Runde herstellt und verbraucht, das erleichtert die Planung deutlich. Die zweite Möglichkeit zur Beschleunigung ist, dass ihr einem Gebäude selbst Güter zuteilt. Die Gebäude haben dafür mehrere Slots, die dann auch jeweils mit verschiedenen Waren befüllt werden können. Eine Werkstatt profitiert zum Beispiel zunächst von Stein- und später von Metallwerkzeugen. Eure große Feuerstelle in der Hauptstadt, an der ihr Festmahle oder Schmuck zubereitet, aber auch Meisterwerke in Form von Büchern herstellen lassen könnt, freut sich über eine Kerze oder Bier. Gegenstände in diesen Slots werden, anders als bei der Produktion, aber nicht verbraucht. Schließlich gibt auch die Zuteilung von Spezialisten zu einem Gebäude einen weiteren Produktivitätsschub. Teilweise produziert ihr auch Waren, zum Beispiel Fleisch, die dann an anderer Stelle zur Produktionsbeschleunigung eingesetzt werden können. Es ergeben sich also mehrstufige Produktionsketten. Und es gibt rund 160 verschiedenen Güter: Pelze, Schmuck, Getreide, Spielekonsolen, Möbel, Kutschen, Brillen. Ihr seht schon: Es gibt praktisch nichts, was es nicht gibt! Alle Waren und Ressourcen landen im Inventar eurer Nation. Und ihr müsst euch, anders als in Millennia, daher nicht um den Transport kümmern.
Trotz der „Verteilungserleichterung“ dank nationalen Inventars klingt das alles sicher etwas komplex und kleinteilig – und das ist es auch. Aber gerade dieses Finetuning der Ressourcen und Waren in meiner Nation, was schon mit dem Beanspruchen der Regionen anfängt, macht mir unglaublich viel Spaß. Ich bin in meinen Partien bislang nur ins frühe Midgame vorgedrungen und hatte mit dem Interface keine Probleme, denn ihr könnt euch mehrere Gebäude in einem Interface anschauen und auch bequem durch die Städte schalten. Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, zehn Städte mit je einem Dutzend oder gar mehr Verbesserungen zu managen, könnte das kritisch werden und, bedingt durch das Interface, in unnötige Arbeit ausarten. Genau hier soll ein neues Interface, der National Economy Screen, ansetzen, der mit Patch 1.1 kommen soll.
Diplomatie und Handel
Zu Spielbeginn ist Diplomatie nur beschränkt möglich: Krieg (es gibt verschiedene Kriegsanlässe, nicht alle stehen euch jederzeit zur Verfügung), Geschenke verteilen, Handelsabkommen. Letztere aber nur bei ausreichend guter Beziehung. Wenn euer Reich wegen Nachbarn an seine Expansionsgrenzen stößt, wird etwa der Expansionskrieg als Möglichkeit freigeschaltet. Kriege sind regelmäßig zeitlich begrenzt. Im Spielverlauf sind dann recht schnell auch Forschungsabkommen und Bündnisse möglich. Bestehende Abkommen verbessern die Beziehungen. Ihr solltet sie euch aber gut überlegen. Einmal zog mich ein Bündnis mit Mexiko in den Krieg mit China, was dann prompt mein Ende einläutete.
Beim Handel könnt ihr ein beliebiges zur Verfügung stehendes Gut von Nationen, mit denen ihr euch ausreichend gut versteht, anfordern. Dann zieht die Karawane los, was später mit Straßen schneller geht. Manchmal bricht der Transport ab, worüber ihr informiert werdet – der Grund dafür wird aber nicht klar kommuniziert. Im Gegenzug darf sich die andere Nation frei an eurem Inventar bedienen. Das kann etwas unglücklich ausgehen, wenn ihr etwa gerade auf einen Triumph spart und just ein dafür erforderliches Gut angefordert wird. Ein bisschen mehr Kontrolle wäre wünschenswert. Wieviel ihr handeln könnt, wird durch die Zahl eurer Händler (zu Beginn zwei) begrenzt.
Kriegsführung und Einheiten
Ara hat beim Einheitenmanagement eine Besonderheit: Die Truppen werden nicht zwingend dort aufgestellt, wo ihr sie produziert hat. Daher ist es wichtig zu wissen, dass ein hoher Sicherheitswert einer Stadt dafür sorgt, dass die Einheit nach der Musterung eine höhere Schlagkraft hat. Ihr könnt also zum Beispiel eine Stadt auf die Produktion von Einheiten ausrichten und sie dann in einer anderen Stadt mustern, also tatsächlich aufstellen. Den Sicherheitswert der also Kaserne dienenden Stadt könnt ihr beispielsweise mit Annehmlichkeiten und Verbesserungen optimieren. Zum Mustern darf die entsprechende Stadt nicht belagert sein. Durch die „Musterrunde“ (so lange dauert es, bis die Einheit verfügbar ist) ist der Panikkauf einer Einheit, wenn der Feind eure Stadt im nächsten Zug belagert, also nicht zielführend.
Eure Einheiten brauchen zur Produktion verschiedene Güter wie zum Beispiel Vermögen, aber auch Spezialressourcen wie Elefanten für Kriegselefanten oder Räder für Streitwagen. Jede Runde werden zudem Ressourcen, vor allem Nahrung, aus dem nationalen Pool verbraucht.
Die Zahl eurer Einheiten ist limitiert. Anfangs könnt ihr nur zwei Militäreinheiten (Späher und Siedler zählen nicht dazu) aufstellen. Weitere Einheiten könnt ihr zwar bauen, diese wandern dann aber in die Reserve. Eigentlich muss ich aber sagen, dass nicht die Zahl eurer Einheiten limitiert ist, sondern die eurer Formationen. Denn sehr schnell schaltet ihr Formationen frei. Die ersten drei Formationen bieten Platz für je drei Einheiten und, je nach Formation, zum Beispiel Vorteile bei der Streitkraft oder bei der Verteidigung, letzteres ist gut für eine Formation, die schlicht eine Stadt bewachen soll. Um ausreichend Schlagkraft zu haben, müsst ihr auf Formationen setzen, da ihr sonst schlicht nicht genug Einheiten habt. Die Limitierung der Formationen ist außerdem ein Faktor, der eure Expansionsbestrebungen einschränken kann. Denn wenn ihr im Osten attackiert und euch plötzlich jemand im Westen angreift, habt ihr ein Problem. Ihr solltet euch also stets gut übelegen, wo und wie ihr das Militär einsetzt und am besten auch eine Reserve aufbauen.
Was mir derzeit nicht gefällt ist, dass ihr Formationen nicht wieder auflösen oder neu zusammensetzen könnt. Denn wenn ihr zum Beispiel einen ersten Speerträger aufstellt, um rund um die Hauptstadt zu jagen, bleibt er auf Dauer ein Einzelkämpfer. Ihr könnt ihn zwar mit anderen Formationen zusammen ziehen und kämpfen lassen, allerdings nicht zurück in die Reserve oder eben eine neue Formation stellen. Euch bleibt nur, ihn aufzulösen, wenn ihr die größtmögliche Kampfkraft aus eurem Formationslimit herausholen wollt. Das ist besonders ärgerlich, wenn eure Einheit schon ein neues Level gewonnen und damit seine Kampfkraft gesteigert hat.
Die Kämpfe laufen, abhängig von der Einheitenzahl und dem Kräftegleichgewicht, über mehrere Runden. Das heißt, ihr könnt Einheiten zur Unterstützung nachführen. Die Kämpfe könnt ihr animiert anschauen, das bringt aber (anders als die optisch aus der Zeit gefallenen Kampfdarstellungen in Millennia) keinen spielerischen Nutzen. Terrainboni oder -mali gibt es zwar nicht, dafür aber Kontereinheiten wie die Anti-Kavallerie-Truppen.
Forschung
Jedes Zeitalter hält seine eigenen Technologien bereit: Von Keramik, Bogenschießen, Philosophie und Feudalismus über Kaffeehäuser und Sinfonien bis hin zu Luftfahrt, Dronen und Lebensmittelreplikation, letzteres im sich an das Informationszeitalter anschließende Singularitätszeitalter. Wenn ihr eine bestimmte Anzahl erforscht habt, könnt ihr euch ins nächste Zeitalter weiterentwickeln. Das hat allerdings zur Folge, dass euch der Zugang zu von euch unerforschten Technologien für den Rest des Spiels verwehrt bleibt. Ihr könnt sie außerdem weder eintauschen noch erbeuten! Klar, der Sprung ins nächste Zeitalter kann euch schneller zu mächtigen Technologien bringen. Ob, und vor allem welche, Technologien ihr auslassen könnt oder gar solltet, ist eine zentrale Entscheidung bei der an sich recht schnellen Forschung. Manche Technologien werdet ihr wohl immer zwingend brauchen, ansonsten hängt euer Bedarf aber maßgeblich von der gewählten Nation und eurem Spielstil ab.
Der rabiate Schnitt ist eher ungewöhnlich. Er wird aber durch eine innovative Idee abgefedert: Den Zugang zu bestimmten Produktionsmethoden oder Spielelementen erhaltet ihr nicht nur durch eine, sondern mehrere Technologien – beispielsweise den Straßenbau. Wenn ihr etwa das Rad übergeht, könnt ihr unter anderem mit Ingenieurswesen oder Handel immer noch den Straßenbau freischalten. Manchmal gibt es aber auch nur eine oder zwei Technologien, die euch den Zugang verschaffen. Das Technologiesystem funktioniert also doch spürbar anders als im populären Civilization-Bruder und verlangt euch so einige Entscheidungen ab.
Staatsform, Vorbilder und Religion
Mit neuen Technologien oder durch Events schaltet ihr neue Staatsformen frei. Es beginnt mit „Landwirtschaft“, die euch keinerlei Vorteile bringt. Die weiteren der insgesamt zehn Staatsformen bringen euch Steuerboni, einen oder mehrere fixe Boni und eine von drei Politiken, die ihr auswählen könnt. Die Monarchie schaltet ihr beispielsweise mit Gesetzgebung frei, könnt einen der drei Steuersätze festlegen, erhaltet Sicherheit und Wohlstand in eurer Hauptstadt und könnt noch einen Bonus auswählen – zum Beispiel, dass euch jede Stadt jede Runde fünf Vermögen einbringt oder dass der Palast in der Stadt, in der er gebaut wurde, die Lebensqualität in allen Kategorien um zehn erhöht. Die größtmögliche Zahl an Städten erhaltet ihr mit Imperium, nämlich acht. Dieses Maximum könnt ihr aber zum Beispiel mit dem Palast noch weiter erhöhen. Insgesamt erlaubt euch die Staatsform, eure Nation weiter zu optimieren.
Zum Finetuning tragen auch die Vorbilder bei. Immer wieder könnt ihr eines von drei vorgeschlagenen Vorbildern rekrutieren. Bei ihnen handelt es sich um historische Persönlichkeiten. Ihr setzt sie auf einem der Beraterposten oder als Heerführer ein, oder lasst sie Meisterwerke erstellen, die euch Prestige für den Sieg (und das Vermeiden des Ausscheidens nach Akt 1 und Akt 2!) bringen.
Die Religion ist kein sonderlich ausgefeiltes, aber umso wichtigeres Spielelment. Einmal gegründet, schaltet ihr mit 1000 Gläubigen einen von drei wählbaren religiösen Versen frei, der euch Boni bringt. Je mehr Gläubige eure Religion hat, desto mehr Boni schaltet ihr frei. Damit diese auch zum Tragen kommen, muss eure Religion die vorherrschende Religion in der jeweiligen Stadt sein.
Prestige führt zum Siesch
Um die Partie zu gewinnen, müsst ihr zum Spielende den höchsten Prestige-Wert erreicht haben. Sehr cool finde ich die Idee, dass nach Akt 1 und Akt 2 die schlechtesten Nationen untergehen, auch die des Spielers. Letzteres könnt ihr aber ausstellen. Prestige erhaltet ihr in Event-Interaktionen mit den Stämmen, durch erfolgreiche Kriege, die Erschaffung von Meisterwerken, später ganzen Sets, durch eure Vorbilder, Forschung, Stadtgründungen und vieles mehr. Und nicht zuletzt durch den Bau von Triumphen – wie etwa Stonehenge. Neben der von der Stadt der Wahl bereitgestellten Bauproduktion kosten sie abgebaute Bestandteile wie Holz und gefertigte Bestandteile wie Seile. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Stonehenge bringt euch satte 150 Punkte Prestige und der Stadt, die den Steinkreis errichtet hat, je +25 Stadt-Wissen und Stadt-Sicherheit. Ihr müsst bei der Wahl des Bauplatzes unbedingt bedenken, dass Triumphe die ganze Region beanspruchen. Auf „Prinz“ baut die KI die Triumphe nicht sonderlich eifrig, auf „Großherzog“ hingegen schon. Bonus-Prestige gibt es für das Erfüllen von Akt-Zielen, das war bei mir bislang immer das Erreichen bestimmter Bevölkerungszahlen, das Errichten eines Palastes oder eines Triumphes in einem bestimmten Akt.
Grafik, UI, Technik und Lokalisation
Die Grafik gefällt mir ausgesprochen gut. Sie hat eine Art realistischen Comiclook. Einheiten auf der Karte wirken wie Counter in einem Brettspiel. Das spricht mich an. Und: Was ihr seht, ändert sich dynamisch mit dem stufenlosen Zoom. Rausgezoomt seht ihr wunderbar, welche Nation die Regionen eingefärbt hat. Zoomt ihr etwas rein, erkennt ihr auch Spezialressourcen. Ihr könnt aber auch ganz nah heranzoomen. Eure Einheiten sind dann keine Counter, ihr könnt sie klar erkennen. Genauso wie alle Gebäude und eure Bevölkerung, die geschäftig hin- und herläuft und rumwerkelt. Einen spielmechanischen Nutzen hat es das nicht, es sorgt aber für einen sehr atmosphärischen Wuselfaktor.
Das UI ist erstmal nicht komplett intuitiv. Das liegt denke ich zunächst daran, dass sich die Buttons und Menüs auf alle Ecken des Bildschirms verteilen. Sehr gut gefällt mir dabei, dass ihr das Spielfeld in der Regel weiterhin sehen könnt, ähnlich wie es auch Age of Wonders 4 löst. Eine weitere Anfangshürde ist, dass ihr zum Beispiel innerhalb des Stadtbildschirms verschiedene Untermenüs ansteuern könnt. Nach etwas Eingewöhnung kam ich mit dem UI, das euch auch zig Tooltips bietet, sehr gut zurecht. Spätestens im Endgame wird dann aber der geplante National Economy Screen (hoffentlich) eine echte Verbesserung darstellen. Militärische Formationen und Städte könnt ihr umbenennen. Schön wäre es noch, die Encarta auch aus dem Hauptmenü starten zu können.
Technisch hatte ich mit Ara – History Untold keine Probleme. Abstürze gab es keine und selbst auf meinem Uralt-Rechner ist es, wohlgemerkt in QHD, gut spielbar, wenn auch leicht ruckelnd. Sehr flüssig ist es wiederum auf meinem aktuellen Gaming-Laptop. Auf beiden Geräten ist die extrem schnelle Rundenberechnung positiv hervorzuheben.
Die Lokalisation ist, erst recht angesichts der Textmenge, insgesamt sehr gut. Vereinzelt wirkt(e) sie aber dann doch wie von der KI gemacht. Beim Erstkontakt mit neuen Zivilisationen gab es dann ein „Gut getroffen“, also „well met“. Das wurde mittlerweile korrigiert. Ein Gebäudetyp heißt dafür immer noch „Erntegeräte“, was doch etwas merkwürdig scheint. Zum Glück wird an der Lokalisation ebenfalls weiter gearbeitet, um letzte Ungereimtheiten zu beseitigen.
Fazit
Wenn euch das eher kleinteilige Management von Warenketten bis runter zur Ausstattung einzelner Verbesserungen (Gebäude) eher abschreckt und die Anno-Reihe auch nicht euer Ding ist, wird Ara – History Untold vermutlich nicht euer Spiel sein. Mir macht aber genau das Spaß. Dazu bringt Ara mit seinen teils neuen und innovativen Konzepten frischen Wind ins Genre. Und, ganz ehrlich, mir gefällt (das bereits leicht gepatchte) Ara – History Untold deutlich besser als die vermurkste Release-Version von Civilization 6, das ich nach gut 40 Stunden nicht mehr weitergespielt habe. Das Lategame kann ich noch nicht beurteilen und auch das Balancing ist noch nicht ganz greifbar. An manchen Stellen muss und wird sicher noch nachgesteuert, vor allem der bei der Verwaltung eines großen Reiches. Die intransparenten Auswirkungen des Schwierigkeitsgrades nerven mich auch.
Ausbaupotenzial bestimmter Gameplay-Elemente wie Religion oder Spionage gibt es sicherlich noch. Ara – History Untold ist aber nicht nur ein Gerüst, sondern bereits jetzt ein fertiges, sehr gutes Spiel, das natürlich noch etwas Finetuning braucht. Sehr gelungen finde ich, dass ihr euer Reich ganz ohne Wechsel der Nation, wie etwa in Humankind, über Vorbilder, Religion und Regierungsform sehr gut nach eurem Gusto gestalten könnt. Wenn euer Herz für 4X schlägt und ihr Lust auf einen wirtschaftlichen Fokus habt, solltet ihr Ara – History Untold unbedingt spielen.
#GiftedbyXbox
Offenlegung: Ich habe ein kostenloses Rezensionsexemplar dieses Produkts von keymailer.co erhalten.
Danke für den riesigen Aufwand, den du in diesen informativen Test gesteckt hast! Ich habe ihn genau gelesen und bin fasziniert von den vielen Spielmechaniken. Vielleicht grabe ich mich auch mal wieder so in ein Spiel rein, wer weiß…
Vielen Dank, auch fürs Redigieren. Die Gedanken- und Schreibarbeit war dann sogar mehr, als ich vorher dachte, freue mich aber, dass es sich gelohnt hat 🙂
Ich denke, um halbwegs reinzukommen reichen 10 Stunden (aber nur leicht über „normal vom Schwierigkeitsgrad, sonst besteht, wie es bei mir war, zu viel Failgefahr weil man die Mechaniken noch nicht so kennt). Danach ist es aber ein echter Zeitfresser mit viel Spaß. Könnte ja einen Teil der frei gewordenen FUT-Zeit besetzen 😉
Meine Güte, was für ein dickes Text-Brett! Bei dem Spiel wohl auch absolut verdient. Für jemanden wie mich, der zuletzt bei Civ IV genügend Zeit für längere Partien gefunden hat, ist das wohl nichts mehr. Schade eigentlich, sieht nämlich sehr lecker aus. Vielen Dank!
Vielen Dank 🙂 Ja, ich hatte im Vorfeld gar nicht sooooo hohe Erwartungen, habe die Vorberichterstattung auch praktisch nicht verfolgt (bis auf z.B. den Explorminate Podcast und, als ich dann ans Testen ging, ein bisschen Tipp-Videos, also sozusagen das moderne Handbuch lesen). Hat sich sehr gelohnt 🙂
Ja, ein Zeitfresser ist es dann schon. Vielleicht ja mal irgendwann in der Rente dann 😉 Freie Zeit ist beim Gaming ein auch bei mir stark zunehmender, limitierender Faktor.
Sehr gerne 🙂
Spiele für die Rente sammle ich seit Baldur’s Gate 1. Langsam wird auch dieses Zeitfenster eng 😀
Haha, den Plan kenne ich. Da sind, auch nachträglich, sogar noch ältere Schinken draufgerutscht (habe gehört, die Sierra-Spiele sollen ganz gut sein). Ja, da wird es echt eng. Wir müssen auf medizinische und technologische Fortschritte hoffen, vllt kann man dann mal in 1,5 facher Geschwindigkeit spielen 😀
Ich schaffe es ja noch nicht mal, Podcasts in höherer Geschwindigkeit mit Genuss zu hören. Wie soll ich da noch spielen? Okay, Deine Taktiksachen sind kein Problem – die verliere ich sowieso 😀