1992 – 1995: Alle SNES Spiele
1992: The Magical Quest starring Mickey Mouse
Inzwischen hat Disney Software nicht nur mit Capcom, sondern auch mit Sega zusammengearbeitet, um Disney-Figuren wie Mickey und Donald auf die Sega-Konsolen zu bringen. Spiele wie Castle of Illusion waren nicht nur bei den Kritikern, sondern vor allem auch kommerziell sehr erfolgreich. Als dann 1991 das SNES in Nordamerika erschien, war klar, dass Mickey auch auf der neuen Konsole von Nintendo stattfinden musste. Dabei war Capcom nicht einmal der natürliche Partner, vielmehr gab es eine Art Ausschreibung von Disney, und Capcom gewann den Pitch mit der Idee zu Magical Quest.
Mickey Mouse selbst ist eigentlich kein geeigneter Charakter für ein Jump’n’Run. Die Maus kann rennen, springen und bestenfalls Gegenstände heben und werfen. Titel wie Mickey’s Dangerous Chase oder Castle of Illusion kamen zwar mit diesen eingeschränkten Fähigkeiten aus, aber ein weiteres Spiel in diesem Stil wäre sehr repetitiv gewesen. Da die Produzenten von Disney schon damals sehr streng mit den Spieleentwicklern und schützend zu ihren Figuren waren, kam man bei Capcom auf die Idee, Mickey durch verschiedene Kostüme neue Fähigkeiten zu verleihen. Dabei orientierten sich die Entwickler an frühen Cartoons, in denen Micky bereits als Zauberer („Fantasia“, 1940), Feuerwehrmann („Fire Brigade“, 1935) oder Bergsteiger („Alpine Climbers“, 1936) auftrat. Man bewegte sich also im Disney-Canon.
Im Laufe des Abenteuers erhält Micky von einem Zauberer drei neue Kostüme, die verschiedene Fähigkeiten freischalten. Als Zauberer kann Micky magische Geschosse abfeuern und unbegrenzt unter Wasser schwimmen, als Feuerwehrmann Brände löschen und als Bergsteiger mit dem Greifhaken höhere Plattformen erreichen oder sich über Abgründe schwingen. Auf der Suche nach dem Schloss von Kater Karlo, der den Hund Pluto entführt hat, durchquert die Maus verschiedene farbenfrohe Biome.
Magical Quest erschien 1992 in Japan und den USA, ein Jahr später in Europa. Das Spiel wurde von den Kritikern sehr gut aufgenommen und erhielt zahlreiche 90er-Bewertungen. In den USA waren die Verkaufszahlen sehr gut aber vor allem aber in Japan ging Magical Quest geradezu durch die Decke. Klar, dass es einen Nachfolger geben musste. Doch bis dahin hatte Capcom noch weitere Disney-Spiele in der Pipeline…
1993: Aladdin
Mittlerweile wurden nicht nur die klassischen Disney-Helden wie Micky und Donald sowie Zeichentrickserien wie DuckTales oder Darkwing Duck versoftet, sondern auch abendfüllende Zeichentrickfilme. Nachdem Capcom bereits die Versoftung der Meerjungfrau Arielle produziert hatte, entschied sich Disney bei Aladdin, drei verschiedene Studios mit der Versoftung zu beauftragen. So wurde die Mega Drive-Version von Virgin Interactive, die Master System-Version von Sega und die SNES-Version von Capcom umgesetzt. Dabei entstanden drei sehr unterschiedliche Spiele.
Die Entwickler von Capcom konzentrierten sich in ihrem Spiel auf die Akrobatik von Aladdin, was dieser Version hier und da Vergleiche mit dem persischen Prinzen von von Jordan Mechner einbrachte. Der Held des Spiels rennt, springt, schlägt Saltos und schwingt sich von Plattform zu Plattform. Ein Schwert wie in der Mega Drive-Version hat der Held hier nicht, dafür kann er seine Gegner mit Äpfeln bewerfen. Allerdings steht der Kampf nicht so sehr im Vordergrund, sondern das Platforming in vertikalen und horizontalen Levels.
Das Leveldesign ist hervorragend, hier haben die Designer von Capcom zudemviele neue Ideen ausprobiert. Die Levels sind bunt, abwechslungsreich und die Lernkurve auch heute noch vorbildlich. Persönlich konnte ich nie den Hype um die Mega Drive-Version nachvollziehen. Sicher: Das Spiel von David Perry sieht mit den ganzen Animationen von Disney-Illustratoren hervorragend aus. Aber das Leveldesign war meiner Ansicht nach doch etwas repretetiv. Hier stich für mich die Version von Capcom deutlich heraus.
1993: Goof Troop
Der spätere Resident Evil-Erfinder Shinji Mikami versuchte sich bereits in der Game Boy-Version von Who Framed Roger Rabbit? an einem Spiel aus der Vogelperspektive. Bekanntlich mit mäßigem Erfolg. Auch für die Versoftung der Serie Goofy & Max (oder im Original: Goof Troop) wählte er wieder diese Perspektive. Diesmal allerdings nicht als Action-Adventure, sondern als Arcade-Puzzle à la Adventures of Lolo.
Der Spieler hat die Wahl zwischen Goofy und seinem Sohn Max, oder zwei Spieler spielen einfach gleichzeitig das Vater-Sohn-Gespann. Dieses verschlägt es auf eine Pirateninsel, auf der fünf große Level gelöst werden wollen. Diese Level sind in einzelne Bildschirme unterteilt und etwas labyrinthartig angeordnet. In einigen Bildschirmen sollen Schieberätsel gelöst werden, in anderen Fallen und Geschicklichkeitstests bestanden und in wieder anderen Abschnitten die Piraten mit Blöcken und Kisten bekämpft werden.
Vor allem der Zweispielermodus macht riesigen Spaß, denn hier ist Teamwork gefragt. Perfekt zum gemeinsamen Spielen mit den Kindern! Leider ist der Spaß nach etwa zwei Stunden dann auch wieder vorbei. Trotzdem ein schönes Familienspiel, auch wenn es nicht viel mit der Serie selbst gemein hat.
1994: The Great Circus Mystery starring Mickey & Minnie
Nach dem Erfolg von The Magical Quest musste natürlich ein Nachfolger her. 1994 erschien dieser in Form von The Great Circus Mystery für SNES und Mega Drive in den USA und Japan, ein Jahr später folgten die europäischen Länder.
Doch der Erfolg des Erstlings konnte im Westen nicht wiederholt werden. Ein häufiger Kritikpunkt in den damaligen Tests war, dass sich das Spiel genau wie sein Vorgänger spiele: Im Laufe des Abenteuers erhält der Spieler drei verschiedene Kostüme mit neuen Fähigkeiten, ansonsten hüpfen und springen Micky und Minnie durch sechs Welten. Zu wenig für verwöhnte Spieler und Kritiker, zumal der Markt mit hochwertigen Jump’n’Runs gut gefüllt war.
Michael Anton bilanzierte in der Total 10/95 stellvertrend: „Während die tollen Grafiken, der stimmungsvolle Soundtrack und das faire Leveldesign begeistern, gibt es doch leider einige Schwächen zu vermelden: Sechs nicht allzugroße Welten sind nicht viel, auch mangelt es oft an neuen Ideen – irgendwie kennt man schon vieles aus dem Vorgänger. Darüber hinaus ist auch der Zweispieler-Simultan-Modus zu bemängeln, der eher für Unübersichtlichkeit sorgt. Angesichts der Entwicklungen, die es seit Magical Quest im Genre gab, ist The Great Circus Mystery nur noch ein solides Mickey-Spiel. Absolute Mickey-Fans werden jedoch auf ihre Kosten kommen.“
Und auch das Zirkus-Setting konnte wohl nicht so richtig überzeugen. Somit waren die Verkaufszahlen im Westen lange nicht so überzeugend wie bei Magical Quest. Qualitativ war das Spiel meiner Ansicht nach jedoch in Ordnung. Es bot ein ähnliches Erlebnis wie sein Vorgänger.
1994: Bonkers
Die Versoftung der kurzlebigen Zeichentrickserie Bonkers wurde nicht von Capcom selbst entwickelt, sondern von Sun L – einem der vielen Drittstudios, die damals in Japan ohne Credits arbeiteten (andere waren u. a. Nova Co. und Tose Co.). Zuvor hatte Sun L unter anderem an Gargoyle’s Quest II mitgearbeitet und auch die Game Boy-Version von Street Fighter II wurde von dem Studio entwickelt. Ansonsten ist – wie bei vielen Studios dieser Art – wenig über Sun L bekannt.
Die Prämisse ist stark an die Serie angelehnt: In Hollywood wurden verschiedene Requisiten aus Disneyfilmen, wie die Wunderlampe aus Aladdin oder der Zauberhut aus Fantasia, gestohlen und der Luchs Bonkers muss sie wiederbeschaffen. Dabei durchqueren wir die Straßen und Filmstudios von Hollywood und treffen hier und da auf weitere Figuren aus der Disney-Welt. Sogar Donald und Mickey haben einen kleinen Auftritt auf einem versteckten Bildschirm.
Das Gameplay erinnerte mich durch die Bonkers Dash-Attacke ein wenig an Konamis Tiny Toon-Versoftung, die Animationen und Umgebungen finde ich eigentlich auch sehr hübsch. Trotzdem ging das Spiel – passend zur Serie – damals ziemlich unter. Die wenigen Reviews gaben dem Titel eine mittelmäßige bis okaye Wertung, aber zu den großen Capcom/Disney-Klassikern gehört Bonkers zweifelsfrei nicht. Damit endete auch die Reihe von Versoftungen zu den Disney-Cartoons der 90er Jahre.
1995: The Magical Quest 3 starring Mickey & Donald
Zwar wurde der zweite Teil der Magical Quest-Reihe im Westen deutlich schlechter aufgenommen als das erste Spiel, allerdings nur in Nordamerika und Europa. In Japan erfreute sich The Great Circus Mystery ebenfalls großer Beliebtheit, so dass Capcom einen dritten Teil nachlegte. Dieser erschien im November 1995 lediglich im heimischen Markt.
Im dritten Teil der Serie tut sich Mickey nun mit Donald zusammen, denn dessen Neffen Tick, Trick und Track gelangen durch ein altes Zauberbuch nach Storyland, wo Kater Karlo herrscht. Dort stellen die drei Enten einigen Unsinn an, was den Zorn des mürrischen Katers hervorruft.
Die Formel der beiden vorangegangenen Spiele wurde nicht verändert. Es gibt wieder drei verschiedene Kostüme. Diesmal eine Ritterrüstung für Mickey, Donald muss sich mit Hammer und Fass begnügen. Außerdem gibt es eine Kletterausrüstung und einen magischen Umhang. Interessant ist, dass sich Mickey und Donald sehr unterschiedlich spielen, da sie unterschiedliche Attacken haben.
Das Leveldesign würde ich als oberen Durchschnitt bezeichnen. Im Vergleich zu den Vorgängern gibt es kaum neue Ideen, allerdings wurde der Schwierigkeitsgrad etwas angehoben.
Westliche Spieler mussten sich bis 2003 gedulden: Capcom veröffentlichte die Trilogie 2002 und 2003 für den Game Boy Advance, diesmal erschien der dritte Teil auch im Westen. Für die SNES-Version erschien 2020 eine Fan-Übersetzung.
Hui, vielen Dank! Mir war nicht klar, dass es abseits der Afternoon Collection und der paar Titel, die ich von Virgin Interactive kenne, so viele Disney-Spiele allein von Capcom gab. Ich halte meine Xbox 260 mit dem installierten Duck Tales-Remaster immer noch in Ehren.
Was für ein gigantischer Artikel! Sehr schön! Danke! Bei den Screenshots der NES und GB Titel kam bei mir gleich die Nostalgie damaliger Nintendo Power Zeitschriften auf.