Ist es wirklich schon fünf Jahre her, dass Urban Witch Story das Licht der Welt erblickte? Ja, tatsächlich – und diesen Anlass nutzen wir gerne für eine Würdigung des Spiels in den AGS-Classics.
Im September 2019 kündigte José María Meléndez sein erstes Point-and-Click-Adventure Urban Witch Story unter dem Label Postmodern Adventures im AGS-Forum an. Wenige Monate nach der Ankündigung wurde Urban Witch Story im Januar 2020 kostenlos als Download veröffentlicht – allerdings komplett auf Spanisch. Doch die AGS-Community erkannte das Potential des Spiels und wollte dies nicht auf sich beruhen lassen. Im September des gleichen Jahres war es dann soweit: Dank einer engagierten AGS-Userin erhielt das Spiel eine vollständige englische Übersetzung. Neben den Texten fanden auch weitere Verbesserungen ihren Weg in das Spiels, wie zum Beispiel Charakterportraits , die bei den Gesprächen eingeblendet werden.
Im Jahr 2023 ist die Version 1.4 erschienen, die kleinere Bugs behoben und Quality-of-Life-Verbesserungen wie Autosave sowie Quicksave/Quickload hinzugefügt hat. Ihr könnt sie kostenlos auf itch.io herunterladen.
Doch um was geht es in dem Spiel überhaupt?

Die Handlung
Das Spiel thematisiert die Unruhen in Los Angeles 1992, die nach dem Freispruch der vier Polizisten, die wegen Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King angeklagt wurden, ausgebrochen waren. Dies brachte Tausende von Menschen auf die Straße, die ihren Unmut demonstrieren wollten – und führte leider auch zu über 50 Toten, Tausenden Verletzten sowie einem Sachschaden von einer Milliarde US-Dollar.
Inmitten diesen bürgerkriegsähnlichen Zuständen übernehmt ihr die Rolle des Polizisten John Barker, der gemeinsam mit seinem Partner Al Jackson an einem Vermissten-Fall arbeitet. Die Kinder eines alten Freundes sind verschwunden und die Spuren führen euch tief in den kriminellen Untergrund von Los Angeles.
Im Laufe der Handlung schlagt ihr euch unter anderem mit Straßengangs und anderen Kriminellen herum, müsst euch aber auch mit euren eigenen Kollegen auseinandersetzen. Und es wäre wohl kein Postmodern-Adventures-Spiel, wenn es nicht auch noch eine übernatürlich Note bekäme. Als Bonus wartet mitten im Spiel das (fiktive) „Los Angeles Paranormal Museum“ auf eure Erkundung.

Die Umsetzung
Urban Witch Story setzt auf eine grafische Darstellung, die an alte Sierra-Adventures aus den 1980er-Jahren erinnert. Aufgrund der thematischen Nähe drängt sich zum Beispiel der Vergleich mit den ersten beiden Teilen von Police Quest (1987, 1988) auf – und das nicht ohne Grund, wie uns der Entwickler im anschließenden Interview noch selbst verraten wird.
Die nostalgische Pixel-Grafik wird von wunderbar atmosphärischer Musik des Komponisten Eric Matayas untermalt. Während ihr im Titelbild mit einer rockigen Melodie, die auch wunderbar zu einem 80er-Action-Film passen würde, begrüßt werdet, sind die Stücke bei euren Ermittlungen meistens ruhiger arrangiert. Diese können allerdings situationsbedingt auch eine unheimliche, bedrohliche oder einfach spannende Stimmung erzeugen. Eine Sprachausgabe gibt es nicht, dafür sind die Soundeffekte herrlich „retro“, wie etwa der tolle Bliep-Sound beim Aufnehmen von Gegenständen oder Finden von Hinweisen.
Die Zwei-Maustasten-Steuerung sollte euch bekannt vorkommen: Rechtsklick zum Anschauen und Linksklick zum Benutzen sowie ein einblendbares Inventar hat sich in diesem Genre einfach bewährt und funktioniert auch hier sehr gut. Jederzeit freies Speichern sowie Schnellspeichern- und -laden machen euch das Adventure-Leben leichter. Lediglich eine Hilfe-Funktion sowie eine Hotspot-Anzeige fehlen, aber das Spiel lässt sich auch ohne diese Stützräder in etwa fünf Stunden lösen.
Herausgekommen ist ein richtig gutes Adventure, das nicht nur auf seinen Retro-Charme setzt, sondern auch in sich gut funktioniert. Nicht zuletzt deshalb habe ich es in meinen Top-50-Adventures der letzten fünf Jahre erwähnt.
Auch die AGS-Community war sehr angetan und verlieh Urban Witch Story bei den AGS Awards 2020 gleich sechs Preise: „Best Game Created with AGS“, „Best Freeware Game Created with AGS“, „Best Writing“, „Best Gameplay“, „Best Background Art“ und „Best Music & Sound“.
Ein verheißungsvoller Start für die Karriere von Postmodern Adventures!

Schöner Artikel zu einem Spiel, das es auch verdient (genauso wie deine Honorable Mention in den 50 besten Adventures der 2020er).
Und ein echt schönes Interview mit José!
Ich bin sehr zufrieden mit dem Interview, danke! War aber nicht schwer, habe nämlich eigentlich nur Dinge gefragt, die mich persönlich interessiert haben. 😉
Immer wieder erstaunlich, wie gut diese Optik heutzutage noch funktionieren kann. Und das Interview ist erste Sahne, danke!
Ich finde auch, dass diese Optik einen gewissen Charme transportiert. Ich weiß aber nicht, ob ich sie so mögen würde, wenn ich sie nicht schon damals, als sie modern war, kennengelernt hätte.