AGS-Classics #3: Apprentice

Ihr habt eure Spiele unter dem Label Herculean Effort Productions veröffentlicht. Was waren eure Pläne damit? Hattet ihr damals vor, hauptberuflich ins Indie-Adventure-Geschäft einzusteigen?

Ian Schlaepfer: Wir haben Herculean Effort dazu benutzt, um eine Fangemeinde aufzubauen. Irgendwann wollten wir ein kommerzielles Spiel veröffentlichen, aber zu der Zeit waren wir beide noch in der Schule, also war Spiele-Entwicklung für uns eher ein Nebenprojekt.

Ende 2006 haben Sie Ihr erstes kommerzielles Spiel (Super Jazz Man) veröffentlicht, zu einer Zeit, als der Markt für kommerzielle Indie-Adventures noch nicht ganz so groß war. Wie liefen die Verkäufe und wie war die Reaktion auf das Spiel? Der Stil war etwas anders als bei den vorherigen Spielen.

Greg Schlaepfer: Als wir Super Jazz Man veröffentlichten, war ich gerade mitten im Musikstudium, und ich glaube, Ian hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Abschluss gemacht. Wir waren neugierig zu sehen, ob sich der Erfolg der Apprentice-Spiele auf den kommerziellen Bereich übertragen und vielleicht sogar einen gangbaren Karriereweg darstellen würde. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis von Super Jazz Man, vor allem damit, dass es sich auf nostalgische Elemente von Point-and-Click-Adventures konzentriert, von der Pixelgrafik mit einer begrenzten Farbpalette bis zur MIDI-basierten Musik. Es beinhaltete allerdings keine Sprachausgabe, und ich denke, das hat dem Spiel letztendlich geschadet.

Ian Schlaepfer: Mein Ziel bei Super Jazz Man war es, etwas Eigenständiges zu machen, eine vollständige Geschichte, die mit leichten Actionsequenzen verfeinert ist. Um das Spiel innerhalb eines Jahres zu entwickeln (davon die meiste Zeit im Sommer), haben wir uns für den Retro-Stil entschieden. Wir haben es zu der Zeit veröffentlicht, als ich einen Job als Artist bei Gameloft bekam. Die Verkaufszahlen waren letztlich enttäuschend; ich glaube, die Fans von Apprentice hatten etwas erwartet, das mehr an LucasArts erinnert. Man darf auch nicht vergessen, dass Spieleportale wie Steam damals noch in den Kinderschuhen steckten.

Wenn man eurer Website herculeaneffort.com glauben darf, war die Entwicklung von Apprentice 3 ziemlich weit fortgeschritten, zumindest was die Geschichte und die Rätsel angeht. Ich nehme an, dass ihr das Spiel mittlerweile endgültig eingestellt habt. Oder habt ihr zufällig vor, eure Fans mit einem Shadow Drop zu überraschen!?

Ian Schlaepfer: Ein Shadow Drop wäre auch eine Überraschung für mich! Ich habe derzeit keine Pläne, wieder daran zu arbeiten, aber ich habe noch meine Notizen. Vielleicht wäre es ein gutes Projekt für den Ruhestand, falls es so etwas in Zukunft noch geben sollte. Was die Komplexität betrifft, so habe ich ein magisches System entworfen, das dem von Loom ähnelt, allerdings mit einer zusätzlichen Ebene der Nichtlinearität. Wie Bobbin würde Pib die Magie von seiner Umgebung lernen, nur dass er durch seinen Vorrat an Zauberbuchseiten begrenzt ist. Vielleicht würden mehrere Lösungen das Spiel zu einfach machen, aber jeder Durchgang wäre so anders. Wir könnten eine Menge Eastereggs in dem Chaos vergraben. 

Da wir dieses ambitionierte Spiel nicht selbstständig finanzieren konnten, bot ich  Apprentice 3 mehreren Publishern als eigenständiges Spiel an. Leider gab es keine Abnehmer. Das war vor etwa fünfzehn Jahren.

Greg Schlaepfer: Oh ja, ich erinnere mich, dass ich ein paar rudimentäre technische Demos für das Zauberbuch und das Inventarsystem zusammengestellt habe.

Hier bekommt ihr einen exklusiven Einblick in ein Design-Dokument von Ian Schlaepfer! Ganz rechts seht ihr Pib, wie er in einem potentiell hochauflösendem dritten Teil hätte aussehen können…

Ich habe euch ein bisschen im Internet „gestalked“ und gesehen, dass ihr beide nach eurem letzten gemeinsamen Spiel eine beeindruckende Karriere hingelegt habt, wenn auch in unterschiedliche Richtungen. Würdet ihr gerne kurz darüber sprechen?

Greg Schlaepfer: Die Entwicklung der Apprentice-Spiele und von Super Jazz Man hat mich in vielerlei Hinsicht darauf vorbereitet, später mein eigenes Unternehmen zu leiten, z. B. die Selbstdisziplin zu entwickeln, ein Projekt bis zur Veröffentlichung durchzuziehen und den Umfang realistisch zu halten, damit das Projekt nicht überhand nimmt. Und ich habe ein oder zwei Dinge über den Betrieb eines Webshops gelernt, als wir Super Jazz Man veröffentlichten. 

Nachdem ich mehrere Jahre als unabhängiger Auftragnehmer für andere Unternehmen in der Branche gearbeitet hatte, gründete ich 2008 mein eigenes Unternehmen, in dem wir virtuelle Instrumente entwickeln. Es läuft gut, aber es hält mich ziemlich auf Trab!

(Anmerkung des Autors: Mehr dazu findet ihr auf orangetreesamples.com.)

Ian Schlaepfer: Seit der Veröffentlichung dieser Spiele haben wir unsere jeweiligen Fähigkeiten weiter verfeinert. Kürzlich habe ich eine Menge Umgebungsdesign und Charakteranimationen für Sports Story auf der Nintendo Switch gemacht. Ich spiele immer mal wieder gedanklich mit der einen oder anderen Idee für ein neues Adventure herum. Aber man muss sich voll und ganz in ein Projekt reinstürzen, um die Chance zu haben, es zu beenden. 

Ich arbeite  auch heute noch als freiberuflicher Game Artist unter dem Namen Herculean Pixel. Ursprünglich habe ich den Namen gewählt, um die Bekanntheit von Herculean Effort zu nutzen, aber jetzt ist es hauptsächlich eine schöne Erinnerung an meine Wurzeln.

(Anmerkung des Autors: Für das beeindruckende Portfolio von Ian Schlaepfer solltet ihr einen Blick auf die Seite herculeanpixel.com werfen.)

Spielt ihr heutzutage noch Adventures oder andere PC-Spiele? 

Greg Schlaepfer: In meiner begrenzten Freizeit spiele ich gerne die überarbeiteten LucasArts-Spiele wie Grim FandangoMonkey IslandFull Throttle und besonders gerne Day of The Tentacle. Manchmal spiele ich diese Spiele auch nur, um die Soundtracks von Leuten wie Michael LandPeter McConnell und Clint Bajakian zu hören, die alle sehr einflussreich und inspirierend waren.

Ian Schlaepfer: Hin und wieder bin ich von einem Spiel wie V Rising oder Elden Ring gefesselt. Bei den Adventures habe ich kürzlich Lacuna und If On a Winter’s Night, Four Travelers gespielt. Ich möchte auch Drowning Cross vom ehemaligen AGS-User Bernie hervorheben. Es gibt nicht viele Autoren, die persönliche Geschichten in ihre Spiele einflechten.

Können wir noch auf weitere Herculean Effort-Adventures in der Zukunft hoffen?

Ian Schlaepfer: Ich wünschte, ich hätte ein Projekt, das ich jetzt hier ankündigen könnte. Aber: Sag niemals nie.

Greg Schlaepfer: Im Moment haben wir zwar nichts geplant, aber es würde sicher Spaß machen, die Musik für ein weiteres Adventure zu schreiben…

Gibt es sonst noch etwas, das ihr den GamersGlobal-Lesern mitteilen möchten?

Ian Schlaepfer: Ich bekomme zwischenzeitlich immer noch Fragen über diesen einen blonden, elfenähnlichen Charakter gestellt, der „möglicherweise“ in Apprentice 2 auftaucht. Wenn ich etwas darüber wüsste, würde ich vielleicht die Theorie aufstellen, dass dieser Cameo-Auftritt als Foreshadowing dient. Vielleicht war Pib nicht der erste Lehrling des Meisters?!

Ich habe auch einen Rat für alle, die narrative Spiele entwickeln: Beendet euer Spiel nicht mit einem Cliffhanger! 

Zum Schluss noch eine grundsätzliche Frage: LucasArts oder Sierra?

Greg Schlaepfer: Das erste Mal, als wir ein Sierra-Spiel ausprobiert haben – eines der King’s Quest-Spiele oder so -, sind wir in der Wüste gestorben. Wir waren einen Moment lang fassungslos und fühlten uns verraten, dass das Spiel uns einfach so sterben lässt. Ich stimme also für LucasArts!

Ian Schlaepfer: Unbestritten. Gebt mir meine hohen Produktionswerte, die vielen Hotspots und die Stützräder, die mich durchs Spiel geleiten. 

Nochmals vielen Dank für eure Zeit und für eure großartigen Spiele!

Greg Schlaepfer: Ich danke dir! Es ist schon eine Weile her, dass ich über AGS nachgedacht habe, also muss ich jetzt mal wieder in den Foren nachsehen, was die Leute in letzter Zeit so gemacht haben…

Ian Schlaepfer: Vielleicht kann mir jemand eine Liste aller AGS-Spiele machen, die ich spielen muss, um auf dem neuesten Stand zu sein.

(Dieser Beitrag erschien zuerst am 6. August 2023 auf GamersGlobal)

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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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