AGS-Classics #2: Metaphobia

In der zweiten Ausgabe der AGS-Classics wird ein Freeware-Adventure aus dem Jahr 2019 geehrt, das sich aus einer Vielzahl von Gründen bereits jetzt als moderner AGS-Klassiker fühlen darf.

In den AGS-Classics stelle ich euch meine persönlichen Lieblingsspiele aus über 25 Jahren Adventure Game Studio-Geschichte vor. Nachdem es in der ersten Ausgabe um die Ben Jordan-Serie von Grundislav Games ging, habe ich mich diesmal für ein Freeware-Adventure entschieden, das sich vor kommerziellen Indie-Adventures keineswegs verstecken muss und diese in mancherlei Hinsicht sogar übertrifft. Zunächst einmal stelle ich euch das Spiel im Detail vor und lasse dann am Ende den Schöpfer des Spiels zu Wort kommen.

Die Rede ist von Metaphobia vom Indie-Studio Digital Mosaic Games. Es basiert auf einer Idee des deutschen Hobby-Entwicklers Tolga Öcek, der 2016 bereits mit John Sinclair – Voodoo in London sein Talent für Pixel-Adventures unter Beweis gestellt hatte.

Das Team

Im Jahr 2017 suchte Öcek nach Hilfe, um aus seinen Ideen ein fertiges Script zu machen, und fand den tschechischen AGS-User David Brocek, der seine Erfahrung im Bereich Storytelling und Rätseldesign ins das Projekt einbringen konnte. Während Öcek hauptsächlich den grafischen Bereich abdeckte, kümmerte sich Brocek um die (durchgehend englisch vertonten) Dialoge. Die Ausarbeitung der Geschichte wiederum übernahmen beide zusammen.

Im Laufe der Entwickung wurde das Team um weitere Mitglieder ergänzt. Die AGS-Scripting-Arbeiten wurden vom italienschen AGS-Entwickler Vincent Cortese übernommen, während der Soundtrack von Daniel Kobylarz, der bereits die Musik für Kathy Rain komponiert hatte, erstellt wurde. Die Soundeffekte wurden von Maximilian Weigl beigesteuert, und Steven Avigliano kümmerte sich darum, die Dialoge und allgemeinen Texte gegenzulesen und zu korrigieren.

Letzterer übernahm auch kleinere Sprechrollen bei der englischen Vertonung, zu der 2018 ein Aufruf nach Synchronsprechern gestartet wurde. Die über zehn Sprecher, die dabei gefunden wurden, leisteten gute Arbeit. Manche von ihnen waren dann, wie auch schon Avigliano, in mehreren Rollen zu hören.

Die Inspiration

Schon bei der Ankündigung des damals noch unter dem Projektnamen „Reptiloiden Adventure“ geführten Spiels hatte Öcek die Idee hinter seinem Konzept erläutert:

„Einerseits wollte ich das Konzept von Gabriel Knight verwenden. Das heißt, ich wollte historische Fakten mit Mythologie oder Fantasy mischen. Andererseits dachte ich, es wäre schön, eine Adventure-Adaption von Shadow over Innsmouth von Lovecraft zu machen.

Jetzt denke ich, dass ich einen Weg gefunden habe, diese beiden Dinge zu kombinieren.

Vielleicht kennt ihr die Verschwörungstheorie über die Reptiloiden. Natürlich glaube ich nicht an dieses Zeug, aber ich dachte das hat das Potenzial für eine Horror- oder Mystery-Geschichte.
In Gabriel Knight gibt es auch Fantasy-Figuren (Vampire, Werwölfe, Voodoo-Zombies), die sehr realistisch dargestellt sind. Jetzt möchte ich das Gleiche mit Reptiloiden machen.

Es soll glaubhaft und nicht kitschig sein. Die Reptiloiden sind auch optisch den Fischmenschen in Schatten über Innsmouth sehr ähnlich.“

Weitere Gemeinsamkeiten zum Sierra-Klassiker von 1993 liegen sowohl bei der grafischen Gestaltung, der düsteren Atmosphäre und dem ähnlichen Interface.

Die Handlung

In der Rolle des mäßig erfolgreichen amerikanischen Künstlers Richard Elmstat werdet ihr zu Beginn mit dem Tod eures Vaters Carl Elmstat konfrontiert. Als Vorsitzender der kosmopolitischen Partei befand dieser sich gerade im Wahlkampf um den Bürgermeisterposten einer nicht genauer genannten US-Großstadt, als er eines Abends in seinem Büro überfallen, ausgeraubt und ermordet wird. Ihr glaubt dabei nicht an ein Gelegenheitsverbrechen, sondern geht von einem geplanten Anschlag aus.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, benötigt ihr die Unterstützung eurer Ex-Freundin Judy,  die früher als Ermittlerin tätig war. Trotz sechsjähriger Funkstille zwischen euch stimmt sie einem Treffen zu und hilft euch bei euren Recherchen.

Mit ihrer Hilfe und euren tatkrätigen Untersuchungen stoßt ihr im Laufe des Spiels auf dunkle Geheimnisse, besucht mysteriöse Orte, trefft bemerkenswerte Personen und kommt schließlich einer Verschwörung auf die Spur, der ihr euch nur noch schwer entziehen könnt…

Die Technik

Vor der Veröffentlichung wurde das Spiel, wie es auch bei einem kommerziellen Werk gewesen wäre, auf Herz und Nieren geprüft. Die Leitung des Test-Teams übernahm Öcek selbst, und mithilfe seiner drei Tester gelang es ihm, ein technisch hochwertiges Spiel zu veröffentlichen.

Die beeindruckenden Animationen stammen ebenfalls von Öcek. Wie er es bereits bei früheren Projekten gemacht hatten, setzte er dafür einen Greenscreen ein, vor dem er die Bewegungen von insgesamt sieben Darstellern aufgenommen hat. Diese wurden dann per Rotoskopie-Verfahren zu den Animationen im Spiel.

Die Nahaufnahmen mancher Charaktere basieren auf echten Personen, so ist die Hauptfigur Richard Elmstat dem Schauspieler Mads Mikkelsen nachempfunden.

Die eingesetzte Engine war das tausendfach erprobte Adventure Game Studio, mit dem die meisten Teammitglieder bereits ihre Erfahrungen gesammelt hatten.

Reaktionen und Nachfolge-Projekte

Für die AGS-Awards 2019 wurde Metaphobia gleich für 10 Awards nominiert und gewann dann schlussendlich die Preise für „Best Freeware Game Created with AGS“ und „Best Animation“. Der größte Konkurrent und zugleich der größte Abräumer das Jahres war das kommerzielle Point-and-Click-Adventure Whispers of a Machine von Clifftop Games.

Wenn ihr nun selbst einmal Lust bekommen habt, Metaphobia zu spielen, findet ihr den kostenlosen englischsprachigen Download zum Beispiel bei Steam oder itch.io.

Derzeit arbeiten die Metaphobia-Teammitglieder an verschiedenen Nachfolgeprojekten. So werkelt David Brocek derzeit als Solo-Entwickler an Goblin’s Journey und unter dem Digital Mosaic-Label zusammen mit Vincent Cortese an Castle Dornstein.

Womit sich Tolga Öcek gerade beschäftigt, erfahrt ihr im Interview auf der nächsten Seite!

Avatar-Foto

Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

Alle Beiträge anzeigen von TheLastToKnow

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert