Age of Wonders 4: Eldritch Realms

Mit Dragon Dawn, Empires & Ashes sowie Primal Fury gab es bereits drei hervorragende Erweiterungen für das, auch mit seiner KI überzeugende, Fantasy-Globalstrategiespiel Age of Wonders 4 von Triumph Studios und Paradox Interactive. Hervorragend, weil sie das Spiel sehr gut erweitern, und zwar optional! Viele tolle Verbesserungen bringen die parallel erscheinenden, kostenlosen Updates. Die Messlatte für Eldritch Realms und das Mystic Update war also hoch. Meinen Eindruck nach 25 Spielstunden erfahrt ihr in diesem Test.

Mystic Update

Patch 1.007, das Mystic Update, wird seinem Namen gerecht. Die mystische Kultur wurde komplett überarbeitet und in drei Schulen aufgeteilt: Anpassung, Potenzial und Beschwörung. Mit Anpassung bekommen eure Einheiten Sternenklingen, ihr kommt leichter an Astralechos und könnt diese mittels Echozauberei statt Zauberpunkten einsetzen, sollten diese nicht reichen. Potenzial ist sehr kampforientiert. Erstmals eingesetzte Kampfzauber sind überladen (wirksamer) und eure Einheiten fügen Dissonanz zu, so dass Gegner Schaden nehmen, wenn ihr einen überladenen Zauber wirkt. Zaubern sorgt zudem für Inspiration, wodurch der jeweilige Zauber immer besser wird. Ist das Potenzial ausgeschöpft, wird er auf Stufe 1 zurückgesetzt und temporär gesperrt. Beschwörung macht eure Einheiten, kurz gesagt, magischer und kampfstärker. Leider kam ich noch nicht dazu, mystisch selbst auszuprobieren. Das steht aber im nächsten Run an. Im Detail gibt es zig Anpassungen wie neue Zauber und neue Fähigkeiten für Helden.

Eine kleine, aber zumindest von mir heiß ersehnte, Verbesserung gibt es beim Erschaffen eigener Reiche: Endlich könnt ihr alles dem Zufall überlassen! Und wenn ihr euch in Kämpfen bislang manchmal ein anderes Agieren eurer KI-Verbündeten gewünscht habt, gibt es jetzt eine Lösung: Ihr könnt deren Einheiten nämlich selbst steuern. Für Einheiten gibt es ebenfalls eine sehr gute Neuerung. Bislang wurden Einheiten der Stufe I und Stufe II im Spielverlauf im Regelfall komplett nutzlos. Jetzt gibt es beim Rangaufstieg erheblich mehr Boni, so dass zumindest erfahrene Einheiten brauchbar bleiben. Die Stufe der rekrutierbaren und beschwörbaren Einheiten wurde außerdem an die Stufe der Stadthalle beziehungsweise eures Zaubererturms geknüpft.

Zu den sonstigen Verbesserungen gehört, dass die benötigten Erfahrungspunkte für Freischaltungen im „Meta-Game“-Pantheon überarbeitet wurden. Sehr gut: Eure Herrscher könnt ihr jetzt nach verschiedenen Kriterien filtern. Die Animationsgeschwindigkeiten auf der Weltkarte und im Kampf lassen sich separat justieren. Und wenn ihr tote Einheiten wiederbeleben wollt, braucht ihr kein Gedächtnis wie ein Elefant mehr und müsst auch nicht mehr nah reinzoomen, um die richtige Einheit zurückzurufen. Ihr kriegt jetzt deren Namen angezeigt. Dazu kommen eine Unmenge an Balancing-Anpassungen und Bugfixes, aber auch eine Neuheit hier und da, etwa Zauber und Einheitenfähigkeiten. Schaut für alle Details am besten selbst in die Patchnotes.

Eldritch Realms

Eldritch Realms bietet euch eine Menge Content, der euer Spielerlebnis optional erweitert. Und zwar mit einem tentakeligen Lovecraft-Vibe.

Ein Prunkstück von Age of Wonders 4 ist, ähnlich wie bei Stellaris, der Völkerbaukasten. Mit den Insektoiden und den den Syron gibt es hierfür zwei neue Völker. Die Insektoiden erinnern mich an fiese, auf zwei Beinen gehende Ameisen. Sie haben standardmäßig unter anderem die neue Eigenschaft „Ununterbrochene Kakofonie“: Angrenzende Feinde ohne diese Eigenschaft haben zu 15 Prozent einen Fehlschlag. Die Syrons sehen ein wenig aus wie Elfen, sind aber aquatische Wesen. Syrons gab es übrigens schon in Age of Wonders: Shadow Magic, da waren es die ursprünglichen Bewohner des Schattenreichs. Ihre neue Eigenschaft ist „Ermächtigung durch Magie“. Erlittener Schaden, der kein physischer Schaden ist, stärkt sie. Neu ist auch die Todeskäfer-Reittiere-Eigenschaft. Wer das für sein Volk wählt, ist wohl kein Fan von Starship Troopers.

Nach Champion und Zauberkönig (Basegame) sowie Drachenfürst (Dragon Dawn) gibt es mit dem schaurigen Souverän einen neuen Urpsrung für euren Herrscher. Und ja, er hat gerne auch mal Tentakel statt Beinen. In jedem Fall fliegt er und kann nicht reiten. Er sieht aber nicht nur speziell aus, sondern hat auch neue und eigene Mechaniken an Bord. Gleich zu Beginn kann er auf Gedankenkontrolle in Schlachten setzen. Und nach erfolgreichen Schlachten oder beispielsweise auch durch die Unterjochung der eigenen (!) Bevölkerung gewinnt er Diener, die dann wiederum unter anderem bei Ritualzaubern nützlich sind. Als Opfer. Ich hatte bislang zwei der insgesamt zehn Rituale: Das Ritual des Hellsehens, mit dem ihr die nächstgelegene unentdecke Plage oder das nächstgelegene unentdecke alte Wunder enthüllt, und das Ritual des Seelenentzugs, mit dem ihr euren Seelenvorrat um 30 aufstocken könnt. Sehr praktisch, wenn ihr auch auf Nekromantie setzt, kostet doch Beispielsweise der Schnitter unter anderem 150 Seelen. Dazu kommen neue, auswählbare Buffs und neue Signature Skills. Die Andersartigkeit des Ursprungs sorgt für ein frisches Spielerlebnis.

Natürlich gibt es neue Zauberbücher, im Falle von Eldritch Realms sind es drei. Das Buch des Tentakels ist ein Stufe eins Zauberbuch mit Schatten- und Astralaffinität. Das bringt unter anderem eine neue Einheit. Besonders gut finde ich „Tentakel beschwören“. Die könnt ihr im Kampf auf ein beliebiges Feld rufen und so zum Beispiel das Vorrücken des Gegners verzögern, Engstellen oder eure Flanke absichern oder Fernkampfeinheiten in ihrer Kernkompetenz behindern. Das Tentakel, zumal ihr mehr als ein Tentakel gleichzeitig haben könnt, war bei mir aufgrund seiner Nützlichkeit im Dauereinsatz. Bie beiden andern Zauberbücher sind solche der Stufe drei.

Das Buch der Verderbnis hat ebenfalls Schatten- und Astralaffinität. Mit Düsterschreiter habe ich meine Rasse zu Umbralen Wesen gemacht, die brauchten dann keine Beine mehr sondern schwebten. Die beschwörbare Umbrameisterin baut eine Verbindung zu einem Feind auf und kann dann zum Beispiel Schaden austeilen und sich dabei heilen oder die verbundene Einheit debuffen. Sehr stark ist auch der Umbraübergriff, mit dem ihr einer Feindstadt eine Provinz abluchst und dort eine Plage erscheint. Das hat mir gegen eine mächtige Feindstadt sehr geholfen.

Falls ihr eher die Sonne preisen, oder wie ich einfach mal die neuen Inhalte ausprobieren wollt, gibt es noch das Buch der Reinigenden Flamme. Ihr könnt so zum Beispiel mehr austeilen, Gegner verurteilen und gegen verurteilte Gegner auf dem Schlachtfeld noch mehr austeilen. Oder mit dem Weihenden Feuersturm unter anderem feindliche Provinzverbesserungen zerstören und dort befindlichen Einheiten Schaden zufügen. Einen mächtigen Stufe sechs Flammentempler gibt es auch. Die Affinitäten Ordnung und Chaos sind eines „Inquisitions-Zauberbuchs“ würdig. Insgesamt passen die drei neuen Zauberbücher thematisch sehr gut und bieten euch viele neue Möglichkeiten.

Mit der Umbrakluft gibt es eine neue, dämonische Spielebene. Komplett mit Regionen und Ressourcen. Außerdem herrscht dort Düsternis, die sich aber auch in Provinzen außerhalb der Umbrakluft ausbreiten kann. Dagegen könnt ihr euch wehren oder selbst einen dämonischen Weg einschlagen. Die meisten Einheiten erhalten in der Düsternis Umbrapathie: Weniger Sichtweite, ihr könnt nicht heilen und verliert zu allem Überfluss auch noch jede Runde sechs Trefferpunkte. Ihr solltet also schnell sein oder Einheiten haben, die nicht von der Umbrapathie betroffen sind. Rettung versprechen die speziellen Zufluchtsaußenposten.

Habt ihr einen solchen Außenposten errichtet, könnt ihr in der entsprechenden Provinz heilen. Städte könnt ihr in der Umbrakluft jedoch nicht gründen. Dafür gibt es dort Umbranester, die immer wieder Dämonen auf euch loslassen und nicht so leicht auszuräuchern sind. Eine Stufe interaktiver sind dann die Umbrawohnstätten, eine Art Freie Städte. Die löscht ihr aus oder nehmt unter bestimmten Voraussetzungen mit ihnen Kontakt auf. Ihr könnt sogar einen Schaurigen Pakt abschließen, sozusagen ein Bündnis, das euch unter anderem von Düsternis profitieren lässt. Außerdem erhaltet ihr Zugriff auf ein ganz spezielles Buch. Das habe ich aber nicht freigespielt und kenne es bislang nur aus der Ingame-Enzyklopädie. Es bringt euch aber ziemlich genau das, was ihr euch von einem Schaurigen Pakt erwartet,

Neben den beiden Premium-Herausforderungsreichen Schattengriff und Ufer des Feennebels gibt es noch zwei Storyreiche, die aufeinander aufbauen. Ich stecke noch in Tharru’Cath – Schatten und Fackeln, das ich nach über 20 Spielstunden nicht einmal halbwegs beendet habe. Es hat allerdings auch gleich vier von fünf Totenköpfen beim Schwierigkeitsgrad und gehört damit zu den schweren Szenarios. Es beginnt zudem gleich mit einer Besonderheit: Ihr legt ohne Hauptstadt los. Stattdessen wurdet ihr gerade von Rebellen und ihrem Anführer Zwen’tywan dem Gesetzlosen aus eurem Gefängnis in der Umbra-Kluft befreit. Die erhoffen sich von euch, dass ihr sie durch das Umbrator in die Freiheit führt. Das deckt sich mit eurem Interesse, schließlich wollt ihr ja wieder euer Volk anführen. Die ersten Runden müsst ihr euch also erstmal aus der neuen Spielebene, der Umbrakluft, heraus- und zu eurer Hauptstadt vorkämpfen. Bis zum zweiten Story-Reich werde ich noch eine Weile spielen „müssen“.

Erstellt ihr euer eigenes Reich, könnt ihr auf neue Reichseigenschaften zurückgreifen. Die Bewohnereigenschaft „Urraths Einfluss“ lässt Plündereinheiten transformieren, so dass sie sich in sich ausbreitender Düsternis mehr und mehr wohl fühlen. Bei den anderen Eigenschaften gibt es zwei Ebenenmodifikatoren: Ihr könnt die Umbrakluft, also die bereits beschriebene neue Kartenebene mit allem was dazugehört, hinzufügen. Oder eine weniger gravierende Variante davon, die (nicht übersetzte) „Subdued Umbral Abyss“. Dazu kommt noch das Vorkommnis „Tribut der Jahreszeiten“. Während des Tributs der Jahreszeiten tauchen Feenwesen im Nebel auf und attackieren die Städte. Gespielt habe ich damit noch nicht, das Vorkommnis soll aber garantiert im mittleren Spielverlauf auftreten. Im Prinzip ist es eine Midgame-Crisis.

Aufgrund der vielen Neuerungen habe ich es ein bisschen bereut, nicht erst das leichtere Premium-Herausforderungsreich Schattengriff gespielt zu haben und auf etwas leichterem, weniger umfangreichen Niveau die Umbrakluft und alles drumherum kennengelernt zu haben. Meine Empfehlung ist daher, außer ihr seid ein echter AoW4-Crack, mit Schattengriff zu starten.

Eldritch Realms bietet außerdem neue Events, drei neue Wildtiere, zwei Reittiere, sechs Musik-Tracks, fünf vorgefertigte Herrscher und ein Interface-Skin.

Fazit

Triumph Studios und Paradox Interactive haben es erneut geschafft, eine hervorragende Erweiterung zu liefern, die Veteranen viel Spaß machen aber für Neueinsteiger nicht zum Pflicht-DLC wird. Entsprechend habt ihr euch beim Lesen sicher entweder gedacht: „Wow, cool, das brauche ich!“ oder aber „Klingt ganz gut, aber brauche ich das wirklich?“. Trotz der gut zwei Dutzend sehr spaßigen und spannenden Spielstunden mit Eldritch Realms habe ich nicht nur das Gefühl, erst an der Oberfläche gekratzt zu haben. Es ist wirklich so. Mit Eldritch Realms bekommt ihr ein wahres Content-Monster, das euch als Veteran dutzende Stunden beschäftigen wird. Aber auch für Einsteiger lohnt sich die Erweiterung. Nämlich dann, wenn der lovecraftsche Horror genau euren Geschmack bedient.

Das Update geht über einen herkömlichen Patch hinaus und die geschilderten Änderungen gefallen mir sehr gut. Das neue Mystisch muss ich allerdings noch ausprobieren. Aber allein schon das vereinfachte Wiederbeleben ist für mich eine große Freude. Das Fazit für Eldritch Realms und das Mystic Update kann daher nur lauten, dass Triumph Studios und Paradox Interactive ein schon bei Release sehr gutes Spiel immer weiter verbessern und die hohe Messlatte erneut mühelos überspringen. Ein echtes Mysterium. Falls noch nicht geschehen, solltet ihr als passionierte Strategen und Taktiker Age of Wonders 4 unbedingt ausprobieren, egal ob ohne oder mit einer euch thematisch zusagenden Erweiterung.

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Über Vampiro

Variety Gamer seit Crystal Castle auf dem Atari 2600 Junior. Mein Herz schlägt besonders für Strategie, Taktik, Wargames und Aufbau nebst allen Untergenres (wie Taktik-RPGs ;-) ).

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5 Comments on “Age of Wonders 4: Eldritch Realms”

      1. Oh je, ja, die Zeit. Wenn es dich mal überkommt, zumindest einen Blick reinzuwerfen, hol dir in einem Sale das für sich stehende, sehr gute Basegame 🙂

      1. Sehr gut 🙂 Das tolle, mal abgesehen von Spiel selbst, an AoW4 ist, dass du ohne fomo viel Spaß mit dem Basegame haben kannst und dann bei Zeit und Lust baukastenmäßig DLC draufpacken kannst.

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