Die Adventure-Schatzkiste ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.
YAPT (Yet another Pirate Tale)?

Verschollen auf Lost Island (auf Tschechisch Ztracený ostrov und Englisch Missing on Lost Island) ist ein Abenteuer-Spiel, das 2000 von den slowakischen Riki Computer Games (später: Mayhem Studios) entwickelt und vom tschechischen Publisher Bohemia Interactive veröffentlicht wurde.
Das Setting in der Karibik und die Tatsache, dass die Hauptfigur wie Guybrush Threepwood aussieht, zeigt deutlich den Einfluss der Monkey-Island-Reihe auf die Entwickler. Die Handlung ist jedoch um einiges ernster, obwohl es an gutem Humor in den Dialogen nicht mangelt. Ein ernsthaftes Adventure mit Piratenthematik zu machen, war auch das explizite Ziel der Entwickler, die sich stilistisch an The Secret of Monkey Island und Indiana Jones and the Fate of Atlantis orientiert haben.
Vor Jahren habe ich mir das Spiel auf DVD zugelegt, doch erst jetzt irgendwie auf meinem Linux-System zum Laufen gebracht, um euch über meine Erfahrungen damit zu berichten.


Tim und Diana geraten in der Gegenwart in einen Überfall, im Zuge dessen sie mir nichts, dir nichts an einen unbekannten Ort teleportiert werden. Tim findet sich nackt und alleine wieder, von Diana keine Spur. Nach kurzer Zeit findet er heraus, dass er sich auf einer geheimnisvollen Insel befindet, auf der die Zeit scheinbar stehengeblieben ist. Es ist das Zeitalter der Piraten, offenbar ist er irgendwann in der Vergangenheit irgendwo in der Karibik gelandet.


Tim findet alsbald Piratenkleidung und muss sich schnell mit der Situation zurechtfinden, um sich auf die Suche nach seiner Geliebten zu begeben. Auf seiner Reise trifft er auf Anubis-artige Gestalten (Stargate lässt grüßen) und muss sich Herausforderungen stellen, die ihn zu einer weiteren Pirateninsel führen. Ist Diana dort? Wird Tim sie retten können, damit sie gemeinsam in ihre Zeit zurückkehren können?
Eine nostalgische Zeitreise
Verschollen auf Lost Island sieht auf den ersten Blick aus wie die klassischen Point-and-Click-Adventures der frühen 90er Jahre. Die handgemalten Hintergründe und die 256-Farben-Palette haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Die visuelle Gestaltung ist liebevoll und detailreich, was die Erkundung der Spielwelt zu einem Vergnügen macht. Die Animationen der Figuren sind sehr aufwändig und unglaublich gut, was auch von der damaligen Kritik bemerkt worden ist. Es gibt viele Zwischensequenzen im Comic-Stil.



Ein einfacher Linksklick interagiert mit Objekten und der Cursor ändert sich automatisch je nach Aktion, was das Gameplay weit weniger mühsam macht, als bei den Vorbildern des Spieles. Mit einem Rechtsklick kann ein Pop-up-Inventar à la The Curse of Monkey Island aufgerufen werden. Die Leiste am unteren Bildschirmrand hätte sich besser dafür geeignet, so finden sich dort lediglich zwei übergroße Links „Inventory“ und „Options“.


Der Weg ist das Ziel
An einigen Stellen gibt es verschiedene Wege, ein Problem zu lösen und es gibt auch alternative Storylines und Enden zu erkunden – weshalb ihr auch unbedingt öfter speichern solltet. Ihr habt also die Freiheit zu experimentieren und auszuprobieren, Sackgassen gibt es meines Wissens keine. Tim kann auch nicht sterben, es sei denn, man erreicht ein schlechtes Ende. Die Erkundung der Umgebung und Dialoge mit den Charakteren sind essenziell, um voranzukommen. Es gibt zwar einen Bug, der den Fortschritt auf der ersten Insel behindert, aber mit einem Patch lässt sich das Problem beheben – gut, wenn man das vorher weiß. Ihr könnt ihn euch hier herunterladen (einfach die originalen durch diese beiden Dateien ersetzen). Weiters ist einer von zwei Lösungswegen verbuggt und kann daher nicht abgeschlossen werden.

Die Musikuntermalung ist großartig und trägt zur spannenden Atmosphäre bei. Die verschiedenen Musikstücke sind gut gewählt und passen perfekt zur Stimmung des Spiels. Zudem kann man die einzelnen Lieder jederzeit überspringen, falls sie einem nicht zusagen.

Verschollen auf Lost Island ist in englischer und tschechischer Sprache vollständig vertont, wobei der berühmte tschechische Schauspieler Jiří Lábus Tim seine Stimme leiht (ihr kennt ihn vielleicht aus tschechischen Filmen und Serien wie Die Märchenbraut oder Der Zauberrabe Rumburak). Die englische Synchronisation ist ebenfalls sehr gut umgesetzt.
Die Rätsel sind abwechslungsreich und fordernd und meistens ziemlich logisch. Es gibt auch ein Minigame, bei dem es darum geht, in guter alter Schifferl-Versenken-Manier eine Seeschlacht zu bestehen.
Fazit
Verschollen auf Lost Island ist ein in Vergessenheit geratenes Abenteuer, das zwar seine Mängel und Schwächen hat, das aber die Point-and-Click-Adventure-Jägerinnen und -Jäger unter euch begeistern könnte. Die Kombination aus einer skurrilen Geschichte, seltsamen Charakteren und nostalgischem Gameplay machen das Spiel aus seine eigene Weise interessant. Der Charme und die Kreativität, die in die Entwicklung geflossen sind, sind spürbar – und wenn ihr Monkey Island einmal „auf ernst“ spielen wollt, ist das hier eure Chance.







Wow, danke für den Testbericht, das Spiel ist mir bislang gänzlich unbekannt.
Laut Internet gibts das Spiel auch komplett auf Deutsch.
Muss ich mir wohl bei Gelegenheit mal zulegen, klingt spannend
Hallo, ich weiß nicht, ob es eine deutsche Sprachausgabe gibt, aber mit deutschem Text auf jeden Fall.
Das klingt alles ziemlich gut. Was für Mängel und Schwächen, die du im Fazit erwähnst, sind das denn? Ist der nicht lösbare Weg irgendwie im Spiel erkennbar? Außer, dass es nicht weitergeht 😀
Unbedingt vor dem Spielen den Patch installieren, dann ist der erste Bug Geschichte. Der zweite betrifft einen von zwei Lösungswegen, ab dem Zeitpunkt, wo man im Kerker (à la MI2) hängt. Beim zweiten Lösungsweg hängt sich das Spiel einfach auf.
Unter Windows kriege ich es nicht zum Laufen, bekomme nur einen flackernden Startbildschirm..
Gibts da nen Trick? Unter Dos läuft es ja nicht, und SCUMMVM unterstützt es nicht…
Bei Windows kenne ich mich leider nicht aus, ich arbeite und spiele seit 20 Jahren auf Linux. Ist für Retro-Spiele (und generell ;)) zu empfehlen.
Wie versuchst Du es denn zu spielen? Unter Windows 98, installiert in der 86Box (https://www.dasklapptsonicht.de/tutorial-der-86box-emulator), sollte es bei den geringen Systemanforderungen des Spiels keinerlei Probleme geben.
Habe noch gar nichts von der 86Box gehört, klingt aber sehr interessant! Funktioniert sie besser als DosBox-X? Für DOS-Spiele kommt mir die 86Box etwas overkill vor. Für alte Windows-Spiele nutze ich WINE.
Habe es mit Windows 95, 98 und 2000 und XP probiert, die hab ich alle noch als Images gehabt. Muss, wenn ich Zeit hab, mich mal mit den Grafiktreibern beschäftigen, ich denke, da gibt es Probleme mit der Kompatibilität zum Spiel.
Neben Burn Cycle ist das bislang eines der wenigen Spiele, das echt richtig fies rumzickt…