Die „Adventure-Schatzkiste“ ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.
In dieser SPEZIAL-Ausgabe der Adventure-Schatzkiste gibt nicht nur André Savetier seine Einschätzung zum Schatzkisten-Adventure der Woche ab – auch Tyler Durden teilt euch unverblümt seine Meinung zum gleichen Spiel mit. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen.
Los geht es mit André!
Adventure aus Kroatien

Hotel ist ein klassisches 3rd-Person-Point-and-Click-Adventure, das vom kroatischen Studio Cateia Games entwickelt und 2010 von dtp entertainment veröffentlicht worden ist. Vor einigen Jahren wurde ein Remake für iOS und Android unter dem Titel Brightstone Mysteries: Paranormal Hotel herausgegeben. Heute ist das Spiel auf BigFishGames erhältlich. Cateia Games ist für die Entwicklung von Wimmelbildspielen bekannt, hat sich aber mit Spielen wie The Legend of Crystal Valley aus dem Jahr 2009 und Hotel auch im 3rd-Person-Point-and-Click-Bereich versucht.
Bridget Brightstone ist eine Nachwuchs-Rekrutin an der FBI-Akademie. Trotzdem entscheidet sie sich gegen das FBI und beginnt stattdessen für das New York Police Department zu arbeiten, wo sie bald ein angesehenes Mitglied der Truppe wird. Mitten in ihren Strandferien erhält Bridget einen Anruf von ihrem Chefinspektor Sam McCloud, der sie bittet, ihre Reise zu unterbrechen, um einen mysteriösen Fall in Frankreich zu untersuchen.

Verständlicherweise ist Bridget darüber nicht sehr erfreut, tut aber schließlich, was ihr Chief verlangt. Die Detektivin macht sich auf zum abgelegenen Schlosshotel Bellevue in Frankreich, das von Sams Freund Mr. Greenleaf und seiner exzentrischen Frau geführt wird. Bridget wird bereits von Greenleaf erwartet, der sie um Hilfe bei der Aufklärung einiger mysteriöser Vorfälle bittet, die sich angeblich in seinem Hotel ereignet haben. Eine wertvolle Halskette ist gestohlen worden und die Dame, der sie gehört, liegt seitdem im Koma. Was wie ein gewöhnlicher Diebstahl aussieht, entpuppt sich schnell als Teil eines größeren Plans. Bald findet sich Bridget inmitten einer mysteriösen und okkulten Verschwörung wieder. Wird sie das Rätsel, das das räselhafte Schloss Bellevue umgibt, knacken können?
Das mysteriöse Schlosshotel
Die englische Version von Hotel enthält keine Voiceovers, im Gegensatz zur deutschen Version, die ich auf DVD gekauft habe, bei der die Dialoge vollständig vertont sind. Die deutschen Voiceovers sind tatsächlich auch ziemlich gut. Was mir an Hotel vielleicht am besten gefällt, ist der Soundtrack. Irgendwo zwischen Dark Ambient und klassischer Musik unterstreicht er perfekt die düstere Atmosphäre des gruseligen Schlosses Bellevue.

Die Hintergrundgrafiken von Hotel sind wunderschön, die Charaktermodelle sehen für 2010 zwar etwas veraltet aus, aber für einen Indie-Titel sind sie nicht so schlecht. Das Inventar befindet sich am unteren Bildschirmrand, ebenso wie andere Funktionen wie Hilfe, Hotspot-Anzeiger, Hinweise und das Menü. Das Spiel bietet ein Tutorial für Adventure-Neulinge. Falls ihr mit einem Objekt mehr anfangen könnt, als es bloß zu betrachten, erscheint eine Verbmünze mit mehreren Optionen.
Wenn ihr Minispiele so sehr mögt wie ich, könnte Hotel definitiv etwas für euch sein. Für seine relativ kurze Spieldauer bietet das Spiel eine Menge davon. Hier gilt es vor allem, Schlösser zu knacken. Einige Rätsel sind zeitbasiert, was nicht jedermanns Sache ist.

Fazit von André
Alles in allem ist Hotel ein schönes Adventure-Spiel. Es ist jedoch nicht sehr lang und auch nicht zu anspruchsvoll, was es eher für Adventure-Neulinge geeignet macht.

Ein Nachteil, der von Kritikern oft angemerkt wird, ist, dass die Geschichte manchmal inkohärent ist und es an Tiefe mangelt, was leider stimmt. Mit etwas mehr Mühe hätte Hotel ein Meisterwerk werden können. Allerdings haben mir die Spielmechanik, die Grafik, der Soundtrack und die Gesamtatmosphäre des Schlosshotels Bellevue sehr gut gefallen.
Hinweis: Seit ich den obigen Artikel vor ein paar Jahren in Videoform verfasst habe (siehe unten), hat sich einiges getan: Mittlerweile gibt es Hotel auch auf Steam unter dem Titel Hotel Collector’s Edition (Brightstone Mysteries: Paranormal Hotel). Diese Edition umfasst das Original-Spiel mit 3D-Charakteren sowie eine 2D-Version aus der ersten Person heraus (die meines Erachtens etwas langweilig aussieht). Laut News-Seite arbeiten die Entwickler aktiv an einem Remaster:
Dies ist nur der Anfang, der erste Schritt auf einer größeren Reise des Remasters von Hotel: Collector’s Edition. Wir haben weitere Pläne, dieses Spiel im Jahr 2025 zu verbessern. Bleibt dran.
Bleibt zu hoffen, dass sie auch an der Story feilen, um sie etwas logischer zu gestalten.
Und nun lassen wir Tyler zu Wort kommen:
Ein Hauch von Geheimakte mit Mundgeruch
Kennt ihr das? Ihr habt einen Kollegen mit ganz üblem Mundgeruch und deshalb haltet ihr bei Gesprächen einen respektvollen Abstand zu ihm. Allerdings denkt ihr euch, ihr müsstet mal was sagen, damit derjenige auch die Chance hat, etwas gegen seine Mundfäulnis zu unternehmen. Aber ihr seid gehemmt, da ihr nicht wisst, wie ihr das heikle Thema überhaupt ansprechen sollt. Aber es hilft ja nichts: Ich versuche jetzt, hier einmal alle Hemmungen beiseitezuschieben und spreche an, was mir stinkt.
Cateia Games ist ein kroatisches Entwickler-Studio, welches unter anderem Adventures und Wimmelbildspiele produziert. Das Spiel Hotel erschien im Jahr 2010. Ein Jahr zuvor hatte der Entwickler das Spiel The Legend of Crystal Valley veröffentlicht, was für mich in die Hitliste der schlechtesten Point-and-Click-Adventures aller Zeiten gehört. Die gute Nachricht ist, Hotel ist besser als The Legend of Crystal Valley. Die schlechte Nachricht ist, dadurch bleibt das Spiel trotzdem ein schwacher Genre-Vertreter.

Wilder Mystery-Mix
Ihr spielet die amerikanische Polizistin Bridget Brightstone. Ihr Chef beordert sie von ihrem sonnigen Strandurlaub zu einem französischen Hotel um dort einen Fall aufzuklären. Es soll wegen einer verschwundenen Halskette ermittelt werden. Es handelt sich aber um keinen offiziellen Einsatz, sondern vielmehr um einen „Freundschaftsdienst“ für Ihren Vorgesetzten. Daher ist die örtliche Polizei nicht sonderlich erfreut von ihrem Erscheinen. Ab hier könnte eine spannende Kriminalgeschichte beginnen. Spannend wird es allerdings nie.
Recht zügig driftet die Story in eine übernatürliche Mystery-Richtung ab. Prima! Ich mag Mystery-Krimis. Man denke nur an Geheimakte Tunguska oder Black Mirror. Das könnte richtig gut werden…. Wird es aber nicht!!! Es wird sooooo richtig schlecht.
Wenn ihr schon immer einmal die legendären Templer, König Arthus, Kleopatra, einen ägyptischen Kult rund um eine Mumie und deren Wiederbelebung und einen weltumspannenden und übermächtigen Geheimbund in einer Geschichte erleben wolltet, dann seid ihr hier goldrichtig. So ganz habe ich das mit dieser übermächtigen Apotheker-Vereinigung zwar nicht begriffen, aber das ist ja gut so. Ist ja schließlich Mystery. Ach, die böse Hexe habe ich noch vergessen. Die darf ja schließlich nicht fehlen. Würde ja auch sonst alles gar keinen Sinn ergeben.

Begeisterung sieht anders aus
Die Grafik ist okay, aber nicht übermäßig gelungen. Klar erinnert alles vom Stil und der Machart so ein wenig an Geheimakte Tunguska, aber wie meine Einleitung schon aussagt… es ist nur ein lauer übelriechender Hauch des großen Vorbildes, welches ein Jahr zuvor (2009) von Animation Arts veröffentlicht wurde. Immerhin gibt es bei Steam die deutsche Fassung mit Sprachausgabe. Musik und Geräusche sind ganz passabel. Da will ich gar nicht so viel kritisieren.
Die Steuerung ist genretypisch und intuitiv zu bedienen. Nicht so gut wie beim Vorbild, aber durchaus in Ordnung. Wow, wieder ein Pluspunkt. Vielleicht wird es ja noch was…
Die Rätsel sind durchweg leicht und es gibt keine größeren Herausforderungen. Das heißt aber nicht, dass die Rätsel gut sind. Sie haben lediglich keinen anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad. Genre-Neulinge, die trotzdem nicht klarkommen, können auf die integrierte Komplettlösung zurückgreifen. Ein Pluspunkt? Für mich nicht!

Fazit von Tyler
Hotel ist ein kurzes und langweiliges Mystery-Krimi Adventure mit kruder Story und leichten Rätseln. Es kann definitiv nicht mit Referenz-Produkten wie Geheimakte Tunguska, Mement Mori, oder Still Life mithalten. Das Spiel bewegt sich auf einem ähnlichen Niveau wie Das Vermächtnis – Der Baum des Lebens oder Undercover Missions: Operation Kursk K-141.
Ich habe laut Steam etwas über 4 Stunden für diesen Spieldurchgang benötigt. Man kann es aber sicher auch in 3 Stunden durchspielen. Wenn man nun die Geschichte in Relation zur Spielzeit setzt, kann man sich vorstellen, welche Tiefe und Substanz die Story hat. Ich habe selten so einen kurzen, dummen und belanglosen Abspann wie bei diesem Spiel gesehen. Die Hauptprotagonistin verlässt das Hotel wieder, ruft ihren Boss an und schmeißt dann ihr Handy weg. Das hätte die Gute doch direkt am Anfang machen sollen, als sie noch am schönen Strand lag.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis beim regulären Preis ist nicht angemessen, wenn nicht sogar schon fast eine Frechheit. Wer es trotz obiger Hinweise unbedingt kaufen und spielen möchte, sollte es wie ich in einem 80%-Sale tun.



Spannende Gegenüberstellung! Vielen Dank euch Beiden.
Gerne. Vielen Dank fürs Lesen und Deinen Kommentar. 🙂
Eine nette Idee mit den beiden Ansichten von euch beiden. 👍
Um mal eine Dritte noch zu nennen: Ich kann mich überhaupt nicht an das Spiel erinnern. Ich habe es in meiner Sammlung und die Screenshots im Artikel kitzeln auch was an meinen Gehirnlappen (vor allem der Schriftzug mit dem Horusauge erkannte ich gleich), aber ich kann mich an keine Details von Story und Rätsel erinnern. Kein gutes Zeichen für ein Adventure. 😉
Das geht mit exakt genauso. Zuerst habe ich gedacht, sieht nett aus, kann man mal im Hinterkopf behalten, aber dann hab ich geschaut. Ich hab das Spiel im Schrank stehen, es ist ausgepackt und habe es bestimmt auch gespielt, aber keinerlei Erinnerung an das Spiel…