Adventure-Schatzkiste: Mata Hari

Die „Adventure-Schatzkiste“ ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.

Die schönste Spionin

Mata Hari ist ein storybasiertes Point-and-Click-Adventure, das von Cranberry Production entwickelt und 2008 von Viva Media veröffentlicht worden ist. Eines der ersten Dinge, die ihr auf der Steam-Seite des Spiels sehen werdet, ist, dass es meistens gemischte Kritiken erhalten hat, mit nur 57 % positiven. Schauen wir uns dieses Abenteuerspiel doch einmal genauer an, um zu prüfen, ob es den Test der Zeit bestanden hat.

Es ist der Beginn des 20. Jahrhunderts. Mata Hari, eine exotische Tänzerin, die auf mysteriöse Weise scheinbar aus dem Nichts auftauchte, verzaubert Paris mit ihren provokativen und sinnlichen Darbietungen. Da sie im Mittelpunkt der Gespräche der High Society steht, kann kein Mann ihrem Charme widerstehen und jede Frau möchte gerne so sein wie sie. Eines Tages wird Mata von dem Gentleman Oscar Samsonet angesprochen, der sich als Agent des französischen Geheimdienstes herausstellt. Aufgrund ihrer Popularität und ihres einzigartigen Zugangs zu den Reichen und Berühmten erkennt Oscar Matas Potenzial und bietet ihr an, als Geheimagentin für ihn zu arbeiten. Schließlich stimmt die mysteriöse Tänzerin zu. In den folgenden Jahren entpuppt sich Mata als formidable Spionin, die ihre Verführungskünste dazu nutzt, um ihren einflussreichen Liebhabern in ganz Europa Geheimnisse zu entlocken. Wird Mata Hari die Kriegsgefahr zwischen Deutschland und Frankreich abwenden können?

Durchs Europa des frühen 20. Jahrhunderts

Auf den ersten Blick sieht Mata Hari aus wie ein gewöhnliches Third-Person-Point-and-Click-Adventure aus den frühen 2000ern. Es hat einen wunderschönen realistischen Illustrationsstil, die Hintergründe und Landschaften sind beeindruckend, die Charaktermodelle sind in Nahaufnahmen etwas sperrig, aber für 2008 sehen sie nicht allzu schlecht aus.

Der tragende Soundtrack trägt perfekt zum langsamen Tempo des Abenteuers bei. Hintergrundgeräusche bilden die Klanglandschaft der Schauplätze und lassen sie lebendiger wirken. Die englischen Voiceovers sind ausgezeichnet, die deutschen scheinen hingegen mir zu gekünstelt und theatralisch.

Alle Interaktionen werden mit einem Linksklick ausgeführt, ein Doppelklick teleportiert Mata schnell zu ihrem Ziel, was sehr gut ist, da die elegant gekleidete Dame sich weigert, auf euer Kommando zu rennen. Die Leertaste zeigt alle Hotspots auf dem Bildschirm an. Das Inventar befindet sich am unteren Bildschirmrand.

Hier unterscheidet sich Mata Hari von anderen Point-and-Click-Adventure-Spielen: Das Inventar enthält nicht nur physische Gegenstände – dargestellt durch ein grünes Symbol–, sondern auch Themen (in Blau) und Ideen (in Rot), die unsere Heldin aus Dialogen und Beobachtungen sammelt. Oft kommt es vor, dass Mata erst eine Idee haben muss, bevor sie einen Gegenstand aufhebt.

Mata Hari bietet viele Minispiele, bei denen der Spieler Punkte für ein Sierra-ähnliches Scoresystem sammeln kann, das den Ausgang der Geschichte beeinflusst. Zwei Minispiele kommen wiederholt vor. In einem müsst ihr Mata zum Tanzen bringen, indem ihr mit dem Cursor die richtigen Noten trefft, das andere ist ein Logikrätsel, das jedes Mal gelöst werden muss, wenn unsere Heldin mit dem Zug durch Europa reist. Mata muss einen Weg von einer Stadt in die andere finden, ohne von ausländischen Spionen erwischt zu werden. Später im Spiel besteht die Möglichkeit, dieses Rätsel zu überspringen, aber bedenkt dabei, dass ihr dann keine Punkte erhaltet.

Fazit

Mata Hari ist kein sehr schwieriges Spiel. Die Inventarrätsel sind meist unkompliziert und logisch. Die Stärken des Spiels liegen jedoch in seiner Erzählung, der interessanten und ungewöhnlichen Hauptprotagonistin und der allgemeinen Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunderts. Einige der negativen Kritiken finden, dass Mata Hari langweilig sei. Es hat zwar ein langsames Tempo und die Geschichte braucht eine Weile, um in die Gänge zu kommen, aber im weiteren Spielverlauf wird sie plötzlich ziemlich düster.

Das Spiel Mata Hari hat durchaus seine Schwächen, aber wenn ihr die Zeit habt, euch auf seine bezaubernde Welt, seine Erzählung und seine eigenartige, faszinierende Hauptfigur einzulassen, lohnt sich ein Durchspielen – nicht zuletzt, weil ihr die Entwicklung der mysteriösen Tänzerin auf ihrer Reise durch das politische Schachspiel miterleben könnt, das zu einer der größten Katastrophen geführt hat, die Europa je erlebt hat.

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Über André Savetier

André hat zwei große Passionen: Musik und Adventure-Spiele. Für erstere fehlt leider die Zeit, aber ein Spielchen zwischendurch geht sich immer aus. Ein besonderes Interesse hat unser Österreicher an Adventure-Spielen, die etwas in Vergessenheit geraten sind, oder an solchen, die kaum jemand kennt.

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6 Comments on “Adventure-Schatzkiste: Mata Hari”

  1. Das YT-Video startet bei 1:06, da ist vermutlich die Verlinkung nicht richtig gesetzt.

    Danke für den Rückklick. Hab es nicht gespielt, kann mich aber dunkel an die Berichterstattung erinnern.

  2. Ich gebe zu: So richtig Lust hatte ich zunächst auf das Spiel Mata Hari nicht. Vielleicht hätte ich es damals schulterzuckend weggelassen oder übersehen, denn die Verpackung mit der halbnackten Tänzerin drauf sprach mich nicht besonders an.
    Aber auf meiner Verpackung war eben auch noch ein riesiger Aufkleber oder Aufdruck auf dem Stand: „Story & Design von den Adventure-Legenden Hal Barwood und Noah Falstein!“
    Und DAS war genau, was ich brauchte, um dem Spiel eine Chance zu geben!

    Und ich habe es nicht bereut. Es ist toll geschrieben – wenn es, ja, teilweise etwas träge sein mag. Es ist insgesamt vielleicht etwas arg einfach geraten aber dennoch in sich ein stimmungsvolles Adventure, bei dem man – wie immer! – die Minispiele vielleicht auch gleich ganz weglassen hätte können. 😉

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