Adventure-Schatzkiste: Lost Chronicles of Zerzura

Die „Adventure-Schatzkiste“ ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.

Eines ruhigen Tages in Katalonien …

Lost Chronicles of Zerzura (in Spanien und Italien als Lost City of Zerzura bekannt) ist ein Grafikadventure, das von Cranberry Production entwickelt und 2012 von dtp Entertainment veröffentlicht wurde. Das deutsche Entwicklerteam hat sich zuvor bereits durch Spiele wie Mata Hari (2008), Black Mirror 2 (2009) und Black Mirror 3 (2011) einen Namen am Adventure-Markt gemacht. 2013 wurde Cranberry Production schließlich von Deck 13 aufgekauft.

Nachdem ich Lost Chronicles of Zerzura nach einigen Jahren Pause zum zweiten Mal durchgespielt habe, möchte ich es euch gerne hier in der Adventure-Schatzkiste präsentieren. Das Spiel ist im Jahre 1514 angesetzt, also mitten in der Renaissance, dem Zeitalter der Erfinder und Allround-Genies. Es spielt in Katalonien und dreht sich um die zwei Brüder Feodor und Ramon Morales. Letzterer beschäftigt sich vor allem mit ägyptischen Artefakten und seiner mysteriösen Familiengeschichte. Unsere Hauptfigur Feodor, der jüngere Bruder, ist ein begeisterter und begabter Erfinder, der versucht, Leonardo da Vinci das Wasser zu reichen.

Der Traum vom Fliegen

Zu Beginn unseres Abenteuers ist Feodor gerade dabei, eine neue Flugmaschine auf ihre Tauglichkeit zu prüfen, was aber leider misslingt. Ihre Erfindungen müssen die Brüder geheim halten, denn überall lauert die spanische Inquisition, die es ganz und gar nicht gern sieht, wenn man durch Wissenschaft und ketzerische Ideen den gottgegebenen Status Quo infrage stellt. Eines Tages steht die Inquisition tatsächlich vor der Tür und bringt Ramon kurzerhand auf ein Schiff, wo er eingekerkert wird. Feodor findet heraus, dass das Schiff auf dem Weg nach Tripolis ist. Durch seinen Erfindergeist gelingt es ihm schließlich, eine funktionierende Flugmaschine zu konstruieren, mit der er sich auf die Suche nach seinem Bruder begibt. Seine Reise führt Feodor über Almeria und Malta nach Nordafrika bis zur sagenumwobenen Stadt Zerzura, mit der die Familiengeschichte der Morales-Brüder eng in Zusammenhang steht. Dabei lernt Feodor die rebellische Piratentochter Jamila kennen, deren Schicksale sich alsbald miteinander verweben. Wird es den beiden gelingen, Ramon aus den Klauen der Inquisition zu befreien und das Rätsel um die Stadt Zerzura zu lüften?

Lost Chronicles of Zerzura ist ein optisch unglaublich ansprechendes Spiel. Es handelt sich um ein 2.5D-Point-and-Click-Adventure, also um ein Spiel mit wunderbaren handgezeichneten Hintergründen, auf denen sich 3D-animierte Figuren bewegen. Die Steuerung ist minimalistisch, man braucht lediglich die linke Maustaste, um mit Objekten und Menschen zu interagieren. Die rechte Maustaste braucht man nur, um Objekte im Inventar zu betrachten und gegebenenfalls auseinanderzunehmen. Mit der Leertaste lassen sich alle Hotspots auf dem Bildschirm für ein paar Sekunden anzeigen, was sehr hilfreich ist, da es normalerweise nur so davon wimmelt. Dadurch lässt sich ein anstrengender Pixelhunt vermeiden. Gut ist auch, dass sekundäre, für die Handlung nicht ausschlaggebende Hotspots verschwinden, nachdem man sie angeklickt hat, wodurch sich normalerweise schnell herausfinden lässt, was als nächstes zu tun ist. Das Inventar findet ihr, wenn ihr mit der Maus über den unteren Bildschirmrand hovert. Speichern kann man jederzeit.

Ein Renaissance-MacGyver

Was mit an Zerzura sehr gut gefällt, ist, dass unser Protagonist ein Erfinder ist, was vor allem einem Abenteuerspiel eine besondere Dynamik verleiht. Feodor ist ständig am Tüfteln, keine Situation scheint für ihn aussichtslos. In mehreren Minigames muss Feodor sein Wissen zur Anwendung bringen.

Nach jedem größeren Abschnitt tritt ein allwissender Erzähler in Erscheinung, der schildert, was inzwischen geschehen ist. Die begleitenden Zwischensequenzen sehen aus wie aus einem Bilderbuch. Die Sprecher sind sowohl in der deutschen als auch in der englischen Version top. Musik kommt meist nur in den Zwischensequenzen oder bei spannenden Momenten vor, normalerweise legt das Spiel wert auf Hintergrundgeräusche wie Meeresrauschen, Holzknarren oder Grillenzirpen.

Fazit

In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends habe ich wenig gespielt, wodurch mir lange das silberne Zeitalter der Adventure-Spiele entgangen ist. Erst in den Jahren danach habe ich mir diese Periode Stück für Stück erschlossen. Lost Chronicles of Zerzura setzt die 2.5D-Tradition glanzvoll fort, von genau solchen Spielen kann ich eigentlich gar nicht genug bekommen, vor allem, wenn sie in der Vergangenheit angesetzt sind.

Die Erfinder-Hauptfigur gibt Zerzura das gewisse Etwas, das es von seinen Genregenossen abhebt und einem in Erinnerung bleiben lässt. Die Rätsel sind durchweg logisch, manchmal etwas verzwickt, aber niemals gemein. Mit etwas Nachdenken kommt die zündende Idee bestimmt. Die Spielzeit ist relativ lang und das Ende finde ich auch ganz gelungen, was ja leider bei solchen Spielen nicht immer der Fall ist.

Das Spiel ist zwar auf Steam verfügbar, kann in Deutschland aber derzeit (vermutlich aufgrund fehlender Informationen zu Altersfreigaben) nicht erworben werden.

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Über André Savetier

André hat zwei große Passionen: Musik und Adventure-Spiele. Für erstere fehlt leider die Zeit, aber ein Spielchen zwischendurch geht sich immer aus. Ein besonderes Interesse hat unser Österreicher an Adventure-Spielen, die etwas in Vergessenheit geraten sind, oder an solchen, die kaum jemand kennt.

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8 Comments on “Adventure-Schatzkiste: Lost Chronicles of Zerzura”

  1. Aaahhhhhh Zerzura, dass hatte ich damals auch durchgespielt, muss so 2012 gewesen sein. Die wenigen Fragmente die ich zu diesem Titel noch im Hirn habe sind sehr ambivalent. Ich weiß das ich mich sehr drauf gefreut habe weil es ja aus dem Hause der Black Mirror 2 + 3 Entwickler kam. Soweit ich mich erinnere war Zerzura nach einem guten Start aber bis zum Ende hin immer noch fader und langweiliger, die Geschichte plätscherte ohne Spannung so dahin. Glaub auch sehr enttäuscht dann über das abrupte Ende gewesen zu sein. Die Rätsel waren doch so einfach oder? Denke mal ein LP anschauen genügt, kein Verlust das es nicht mehr erhältlich ist. 🙂 Danke für den schöne Erinnerung an André.

    1. Ich hab das Spiel eigentlich sehr genossen, auch jetzt beim zweiten Durchlauf. Das Ende finde ich auch nicht so schlecht, es geht halt dann etwas in die Fantasy.

    2. Ah, es freut mich, eine Meinung wie die von advfreak zu lesen. Ich dachte, ich stünde da alleine. Ich fand das Spiel (auch damals vor 10+ Jahren gespielt) eher schwach. Die Story langweilig bis zusammenhangslos, einige der Texte ließen mich zusammenzucken (heute würde man cringe sagen) und hätten direkt aus einem Groschenroman stammen können und die Rätsel sehr einfach. Das hat für mich auch die hübsche Grafik nicht heraus gerissen.
      Aber das Schöne ist ja, dass Geschmäcker da völlig unterschiedlich sind.

    3. Ich fand Zerzura auf seine Art echt gut. Mir haben die Charaktere gut gefallen, das Szenario und ich fand eigentlich auch den Schluss angemessen.

      Es stimmt, dass die Rätsel eher einfacher sind. Aber dafür spielt es sich ganz fluffig durch – denn wirklich lange ist das Spiel auch nicht.
      Dazu kommt, dass viele Hotspots nach dem Anschauen ganz verschwinden, so dass man meist nur noch mit wenigen Hotspots herumprobieren musste, was das Spiel noch einfacher machte.

      Ein meiner Meinung nach ein gelungenes Einsteiger-Adventure, mit dem ich allerdings auch meine Freude hatte. Manchmal hat man ja auch nur einen kleinen Hunger. 😉

        1. 😀

          Naja, das Problem ist dann halt ein bisschen, dass der Spieler plötzlich anfängt, einfach nur Hotspots abzuarbeiten, um sie „loszuwerden“. Gut, das ist generell immer so ein bisschen ein Problem mit Hotspot-Anzeigen. 😉
          „Book of Unwritten Tales“ hat das zum Beispiel auch so gemacht. Da war es teilweise recht extrem: Man kam in eine neue Location, da hatte es 25 Hotspots, und nach dem Abarbeiten waren es dann noch 4.

          Aber generell stimme ich dir schon zu: „Balast“ regelmäßig loszuwerden ist schon keine schlechte Praxis bei Adventures (zum Beispiel auch sinnlose Inventargegenstände).

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