Adventure-Schatzkiste: Heaven’s Dawn (TW/AU)

Die Adventure-Schatzkiste ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.

Ein vergessener Schatz der Neunziger

Heaven’s Dawn, ein Spiel aus dem Jahr 1995, ist eines der obskursten Point-and-Click-Adventures, die ich je gespielt habe. Das taiwanesische Studio Art 9 Entertainment Inc. hat mit diesem Abenteuer eine interessante Fantasy-Geschichte geschaffen, die in englischer Sprache für den australischen Markt von Manaccom veröffentlicht wurde.

Die Geschichte entführt uns in eine seltsame alternative Realität, in der ein ahnungsloser Mensch auf ein großes Abenteuer geschickt wird, eine Prinzessin befreien und eine Welt retten muss.

Hmm, klingt irgendwie wie Super Mario …

Die Strafe der Götter

Die Götter haben eine wunderschöne Welt erschaffen, doch die Menschen haben sie durch Sünde entstellt. Daher soll die Menschheit verflucht werden und für immer verschwinden. Eines der himmlischen Wesen will sich jedoch nicht fügen und schickt seinen Diener zurück in die Zeit, um jemanden aus einer anderen Dimension zu finden, der imstande ist, den Fluch zu brechen.

Jeremy, ein Maler aus New York, lauscht einem alten Bettler, der von Gottes Fluch über die Menschheit erzählt. Als der alte Mann sein Amulett vergisst, läuft ihm Jeremy damit hinterher. Plötzlich findet er sich in einem fantastischen Land wieder, das Amulett immer noch in der Hand. Wo ist er denn nun hingeraten? In einem leeren Palast stößt er auf die Tagebücher von König Drew III. und dessen Tochter Cassandra. Teile des Landes sind verwüstet, der Wald vertrocknet, nirgendwo eine Menschenseele, und es scheint, er ist der einzige Mensch auf der Welt. Nun liegt es an Jeremy, das Rätsel um das Verschwinden der Menschen zu lösen und die Welt vor dem Zorn der Götter zu retten. Nur wenn er den Fluch bricht, kann er in seine eigene Dimension zurückkehren.

Gameplay und Rätsel

Das Gameplay wird euch von LucasArts- und Sierra-Adventures bekannt vorkommen. Mit einem Klick auf interessante Objekte erhält man deren Beschreibung oder kann sie aufheben. Ein Rechtsklick öffnet das Inventar als Pop-up-Fenster, was etwas unpraktisch und auch nicht nachvollziehbar ist, denn unten gibt es eine Leiste, die mehr als ein Viertel des Bildschirms einnimmt und eigentlich keinen wirklichen Zweck hat.

Die Rätsel sind größtenteils Inventar-basiert und man muss auch viel herumlaufen, was nicht weiter tragisch ist, denn in den Einstellungen kann man zum Glück die Laufgeschwindigkeit unseres Helden beschleunigen. Ihr werdet nicht lange auf der Stelle treten, abgesehen von ein paar Pixel-Suchaktionen, die jedoch oft mit einem Aha-Erlebnis belohnt werden. Später erhält man eine Flöte, mit der man mittels Landkarte schnell zwischen den wichtigsten Orten hin- und herreisen kann.

Es gibt in Heaven’s Dawn einige Mini-Games, die es wirklich in sich haben. Es handelt sich dabei meistens um irgendwelche Brettspiele oder Logikpuzzles, wobei nicht immer von Anfang an klar ist, was zu tun ist. Der Schwierigkeitsgrad ist sehr hoch, doch haben mir diese Spiele zumeist gefallen, vor allem eines, bei dem man gegen einen Zwerg „Raupenschach“ spielen muss. Das hätte ich gerne als eigenständiges Spiel.

Grafik und Sound

Grafisch präsentiert sich Heaven’s Dawn als angenehm anzuschauen, mit schön gezeichneten großpixeligen Szenen, die das Nostalgikerherz zum Höherschlagen zwingt. Die Pixel-Animationen sind einfach großartig und für mich das Beste am Spiel. Besonders die Bewegungen des Protagonisten in verschiedenen Situationen und die lebendige Natur, die durch herumlaufende Eichkätzchen und plätschernde Bäche zum Leben erweckt wird, tragen zur Atmosphäre des Spiels bei. Diese liebevoll gestalteten Details machen das Spiel zu einem visuellen Genuss und verleihen der Welt eine einzigartige, einladende Lebendigkeit.

Die englische Version ist nicht vollständig vertont, was die Immersion etwas mindert, aber die Eröffnungs- und Schlusssequenzen mit ihren übertriebenen australischen Akzenten verleihen dem Spiel einen ganz eigenen Charakter.

Fazit

Heaven’s Dawn ist ein Spiel, das trotz seiner Mängel und der pixeligen Jagd nach Objekten einen gewissen Charme bewahrt, der einen sogleich in die früher Neunzigerjahre zurückkatapultiert. Es entlehnt seine Struktur und seinen Ton fast vollständig von der ersten Legend of Kyrandia, und während es mit diesem in vielen Aspekten nicht mithalten kann, bleibt es dennoch ein angenehmes, kurzweiliges Erlebnis. Die Mythologie des Spiels ist übrigens von der chinesischen inspiriert. Die liebevoll gestalteten Animationen und die lebendige Welt machen es zu einem nostalgischen Abenteuer, das euch in eine andere Dimension entführt. Wenn ihr wie ich Adventure-Jäger seid, könnte Heaven’s Dawn genau das Richtige für euch sein.

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Über André Savetier

André hat zwei große Passionen: Musik und Adventure-Spiele. Für erstere fehlt leider die Zeit, aber ein Spielchen zwischendurch geht sich immer aus. Ein besonderes Interesse hat unser Österreicher an Adventure-Spielen, die etwas in Vergessenheit geraten sind, oder an solchen, die kaum jemand kennt.

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4 Comments on “Adventure-Schatzkiste: Heaven’s Dawn (TW/AU)”

  1. Ich muss sagen, ich mage diese Serie der Adventure-Schatzkiste sehr. Viele Erinnerungen und immer wieder neue Skurrilitäten; danke dafür!
    Beim Titelbild hier hätte ich nicht unbedingt an „chinesische Mythologie“ gedacht mit der Nike von Samothrake im Vordergrund 😉

    1. Danke für die motivierenden Worte 🙂 Nächste Woche kommt wieder so ein skurriler Schatz. Die griechiche Mythologie ist auch teilweise bei Heaven’s Dawn eingewebt, wenn auch nur optisch.

  2. Das Spiel hatte ich mir Ende der 90er besorgt und damals durchgespielt. Ich habe es als sehr schwer in Erinnerung – könnte sich aber auch nur auf die Minigames beziehen. 😉

    Die Grafik ist echt wunderschön gepixelt und erinnert an den Stil von Legend of Kyrandia, wie eigentlich das gesamte Spieldesign (wie du schon in deinem wunderbaren Artikel beschrieben hast). Und, ja, wieso das Inventar nicht auch gleich im Hauptscreen auf der Staffelei angebracht wurde, verstehe ich auch nicht.

    Muss das Spiel echt mal wieder hervorkramen. Habe lange nicht mehr daran gedacht. Danke dafür.

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