Adventure-Schatzkiste: Dead Mountaineer’s Hotel

Die „Adventure-Schatzkiste“ ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.

Ist es wirklich so schlecht?

Dead Mountaineer’s Hotel (auf Deutsch auch manchmal Das Geheimnis des Berghotels genannt) ist ein Grafikadventure, das vom Kyjiwer Studio Electronic Paradise entwickelt und 2009 veröffentlicht wurde. Die Geschichte des Spiels basiert auf einem Roman der Brüder Strugazkij, die neben Isaac Asimov als die einflussreichsten Autoren der sowjetischen Science-Fiction gelten.

Beim Aufruf der Steam-Seite des Spiels fallen sofort die vielen schlechten Bewertungen („Größtenteils negativ“) auf. Lediglich 37 % der Spieler haben Dead Mountaineer’s Hotel empfohlen. Das hat natürlich meine Aufmerksamkeit erregt. Meine Mission: Überprüfen, ob das Spiel wirklich so schlecht ist, wie es die Steam-Bewertungen wirken lassen.

Auf den ersten Blick sieht das Spiel sehr nett aus. Das Intro zeigt unseren Protagonisten Peter Glebskij, wie er mit seinem Auto bei einem verschneiten Berghotel ankommt, wo er sogleich vom Hotelbesitzer Alek begrüßt wird. Aber sobald die Figuren anfangen zu sprechen, werdet ihr sicherlich einen der Hauptkritikpunkte der Bewertungen verstehen: die englischen Voiceovers. Die Sprecher klingen geradezu gelangweilt, was tatsächlich schwer zu ertragen ist. Nun habt ihr die Wahl: Entweder ihr gewöhnt euch daran, schaltet den Ton auf stumm oder ihr hört an dieser Stelle einfach auf. Als deutschsprachiger Spieler habt ihr allerdings noch eine vierte, viel bessere Option: auf Deutsch umschalten – alternativ ginge sogar auch die Originalsprache Russisch, falls ihr das bevorzugt. Im Gegensatz zur englischen Synchronisation sind die russischen und deutschen Sprecher aus meiner Sicht nämlich hervorragend. Und siehe da: Plötzlich hat das Spiel viel mehr Reiz, der Spaß kann also beginnen.

Das Hotel „Zum Verunglückten Bergsteiger“

Wer auf diesem Portrait wohl zu sehen ist?

Ihr schlüpft in die Rolle von Peter Glebsky, einem Detektiv mittleren Alters, der seine zweiwöchigen Ferien im „У Погибшего Альпиниста“ (U Pogibšego Al’pinista), dem „Dead Mountaineer’s Hotel“, verbringen möchte. Nur wenige Gäste sind zur selben Zeit im Hotel untergebracht und bald nach eurer Ankunft lernt ihr die meisten von ihnen kennen. Der Hotelbesitzer Alek Snevar unterhält ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Gästen. Einige bemerkenswerte Gäste sind der Zauberer du Barnstoker, seine Nichte Brun, das exzentrische reiche Paar Moses oder unser Nachbar, der Physiker Simon Simonet.

Wie ihr euch denken könnt, bleibt es nicht bei einer reinen Erholungsreise: Während eures Aufenthalts im Hotel passieren nämlich allerlei seltsame Dinge. Stiefel verschwinden und tauchen woanders wieder auf oder Handtücher sind plötzlich aus unerfindlichen Gründen nass. Ist das nur ein dummer Scherz oder ist es der Geist des toten Bergsteigers, nach dem das Hotel benannt ist? Im weiteren Verlauf der Geschichte findet ihr euch inmitten mehrerer Ermittlungen wieder – nicht gerade der Urlaub, den ihr euch gewünscht hattet.

Schön habt ihr es hier

Zumindest der Hund wirkt sehr entspannt.

Das Hotel selbst ist sehr schön gestaltet. Es ist recht groß und es dauert eine Weile, bis ihr alle Zimmer erkundet habt. Und das ist aus meiner Sicht sehr positiv, denn mir hat die Erkundung viel Spaß gemacht. Dead Mountaineer’s Hotel erinnert stilistisch stark an die Agatha Christie-Spiele der guten alten Adventure Company wie Und dann gab’s keines mehr aus dem Jahr 2005 oder Mord im Orient-Express aus dem Jahr 2006.

Um bestimmte Ereignisse auszulösen, müsst ihr euch mit den anderen Gästen unterhalten und in klassischer Point-and-Click-Manier Gegenstände aufheben und verwenden. Die Dialoge könnt ihr mit der Leertaste überspringen, mit einem Rechtsklick öffnet ihr das Inventar.

Dead Mountaineer’s Hotel enthält neben der Art von Rätseln, die ihr in einem Adventure erwarten würdet, auch Minispiele, die ihr bewältigen müsst, um voranzukommen. Dazu gehören beispielsweise eine Runde Billard oder Darts sowie ein Spiel, bei dem es darum geht, Peter auf den Skiern zu halten.

Fazit

Alles in allem komme ich zum Ergebnis, dass Dead Mountaineer’s Hotel bei weitem nicht so schlecht ist, wie es die zumeist englischen Reviews auf Steam behaupten. Dies liegt wohl vor allem an der misslungenen englischen Synchronisation, aber auch das viel zu plötzlich auftretende und nicht besonders logische Ende dürfte dazu beigetragen haben. Aber: Es könnte deutlich schlimmer sein.

Dead Mountaineer’s Hotel kann vielleicht nicht mit anderen Titeln mithalten, die 2009 erschienen sind, wie Sherlock Holmes vs. Jack the Ripper, Still-Life 2 oder Memento Mori. Aber es hat mir dennoch Spaß gemacht und ich habe es genossen, das Hotel und die Atmosphäre des verschneiten Ortes zu erkunden. Vielleicht wollt ihr dem Spiel auch einmal eine Chance geben?

Nachtrag: Aus gegebenem Anlasse habe ich mit nun endlich die estnische Verfilmung von Dead Mountaineer’s Hotel aus dem Jahre 1979 angeschaut. Die Esten haben daraus eine skurile Noire-Geschichte gemacht. Vor allem die Kameraführung und der Soundtrack sind top. Sehr zu empfehlen!

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Über André Savetier

André hat zwei große Passionen: Musik und Adventure-Spiele. Für erstere fehlt leider die Zeit, aber ein Spielchen zwischendurch geht sich immer aus. Ein besonderes Interesse hat unser Österreicher an Adventure-Spielen, die etwas in Vergessenheit geraten sind, oder an solchen, die kaum jemand kennt.

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15 Comments on “Adventure-Schatzkiste: Dead Mountaineer’s Hotel”

  1. Du machst mich neugierig. Warum hängt da eine Bergsteiger-Axt mitten im Geäst? Warum sieht Glebsky aus wie Sean Connery? Aber vor allem: Wer kommt auf die Idee, so ein Ski-Minispiel einzubauen?

    Vielen Dank für diesen Einblick. Es kann nicht genug Artikel über eher unbekannte Spiele geben. Willkommen!

    1. Mann, du siehst Sachen… das Ski-Minispiel ist aber echt schwierig. Danke für die motivierenden Worten, kommt sicher bald mehr 😉

      BTW: Ich schaue mir gerade die estnische Verfilmung von DMH aus dem Jahre 1974 an, und ich muss sagen: Wow!

  2. Wow, was ein Auftakt! Willkommen bei DKSN! Ich hoffe, die Schatzkiste öffnet sich bald wieder. Das Spiel macht wirklich einen charmanter Eindruck, mit mehr Zeit würde ich es spielen. Und den Fokus auf ein Gebäude fand ich schon in Maniac Mansion (auf dem NES), meinem ersten, durchgespielten Adventure gut. Den Film habe ich auch gefunden, ich glaube, den gucke ich echt mal 😀 Hukkunud Alpinisti Hotell 😀

    1. Vielen Dank :)) MMn zahlt sich sowohl das Spiel als auch der Film aus. MM auf dem NES war aber schon eine Quälerei, gell? Hab mal Serrated Scalpel auf 3do probiert, weils dort Voiceovers gab. Bin dann aber gerne wieder zurück auf die textbasierte PC-Version 😉

      1. Werde den Film auf jeden Fall anschauen 🙂 Spiel kaufen muss ich über einen Drittanbieter, falls ich das dann überhaupt aktivieren kann im Zensurland 🙁 Wie lange ist denn ungefähr die Durchspielzeit?

        Ich habe es damals nicht als Quälerei empfunden 😀 Ich hatte zu der Zeit neben dem NES schon den Atari 2600 und vielleicht den Gameboy, aber keinen (Home)Computer (oder war der 486er meines Vaters doch schon da und ich habe NES da schlicht nicht gehabt?). Im Nachhinein war das Entkommen aus dem Gefängnis etwas schwieriger und halt generell Bildschirm absuchen, das wusste ich damals noch nicht. Meine ersten am PC durchgespielten Adventure waren dann Moneky Island und Indy 3 🙂

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