Adventure-Schatzkiste: Backpacker: The Lost Florence Gold Mine (US)

Die Adventure-Schatzkiste ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.

Ein One-Hit-Wonder? – Nicht einmal, leider

Der Musiker Phil Grabmiller aus Idaho schreibt Anfang der 90er eine Geschichte, die von seinen Studienjahren inspiriert ist. Er versucht zunächst selbst, daraus ein Textadventure zu machen. Als Grabmiller schließlich den Entwickler Richard Williams kennenlernt, beginnen sie gemeinsam, die Geschichte in ein Grafikadventure zu verwandeln und gründen dazu 1993 das Studio Animagination. Die beiden arbeiteten in ihrer Freizeit an dem Spiel, das schließlich 1997 unter dem Titel Backpacker: The Lost Florence Gold Mine das Licht der Welt erblickt. Die lange Entwicklungszeit zeigt sich vor allem in der für 1997 altmodisch anmutenden Grafik. Für uns Retro-Abenteurer spielt das aus heutiger Sicht natürlich keine Rolle, im Gegenteil, gibt es doch so ein weiteres Spiel, das den Charme des Goldenen Zeitalters weiterträgt.

1998 fühlt sich Williams von Gott berufen und wendet sich – neben seiner Arbeit bei Microsoft – spirituellen Dingen zu. Backpacker bleibt also das erste und einzige Spiel von Animagination. Backpacker wird als „Educational Action Adventure“ vermarktet, der kommerzielle Erfolg bleibt jedoch aus. Heute ist das Spiel selbst unter Freunden obskurer Adventures wenig bekannt – zu unrecht, denn Backpacker ist nicht nur gut, es ist exzellent.

Chuck McBlade, verdeckter Ermittler

In Backpacker schlüpft ihr in die Rolle von Chuck McBlade, einem Polizisten, der sich nach Erhalt eines anonymen Briefes als verdeckter Ermittler tief in die Berge von Idaho begibt. Er gibt sich als Wanderer aus, der die wundervolle Naturlandschaft der Gegend erkunden möchte. Nachdem er sein Mittagessen im Payette Inn eingenommen hat, bemerkt Chuck, dass ihm seine Brieftasche abhanden gekommen ist. Um die Rechnung zu bezahlen, muss unserer Wanderer in der Küche mithelfen, wo er den alten Besitzer Joseph sowie dessen bezaubernde Tochter Meagan kennenlernt.

Bald merkt Chuck, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht: Immer wieder verschwinden hier Touristen und Josephs Geschäftspartner Bart macht Meagan und ihrem verschuldeten Vater das Leben zur Hölle, denn er möchte der alleinige Besitzer des Hotels werden. Um Joseph und Meagan zu helfen, begibt sich Chuck auf die gefährliche Suche nach der sagenumwobenen Florence-Goldmiene und wird mit einem Mord konfrontiert, der über 60 Jahre in der Vergangenheit liegt. Wird es Chuck gelingen, das Rätsel um die Goldmine zu lösen und das Payette Inn zu retten?

Am Anfang wirkt das Spiel noch relativ unschuldig, ihr müsst für Joseph einige Zutaten rund um den See pflücken, die ihr mittels eines Pflanzen-Buches identifizieren müsst. Isst man jedoch eine falsche Beere oder einen Fliegenpilz, so merkt man gleich, dass dies tödliche Konsequenzen für unseren Protagonisten hat. Nach der ersten Phase nimmt das Spiel alsbald eine düstere Wendung. Backpacker nimmt sich durchaus selbst ernst, ohne dabei an Authentizität zu verlieren. Als Kind der 90er gefallen mir natürlich die dem Zeitgeist entsprechenden Twin-Peaks-Referenzen.

Die Steuerung des Spiels ist intuitiv gestaltet. Mit einem Linksklick führt man Handlungen aus, während der Rechtsklick oder die Leertaste den Zugriff auf den Verbcoin ermöglicht, mit dem verschiedene Aktionen ausgewählt werden können: gehen, anschauen, benutzen und sprechen. Zudem kann man mit den Tasten F1 bis F4 zwischen diesen Handlungen wechseln. Das Inventar befindet sich am unteren Bildschirmrand, das Menü in der linken unteren Ecke. Mit F6 kann man schnell speichern, und mit F5 laden – eine Funktion, die ihr wahrscheinlich häufig in Anspruch nehmen werdet oder müsst, da man in Backpacker, ähnlich den alten Sierra-Spielen, sehr leicht sterben kann – im Prinzip an jedem Abhang, jedem Gewässer und vor allem durch wilde Tiere. Dabei empfehle ich euch, auch hin und wieder ein Hardsave zu machen, für alle Fälle.

Pixelnatur und Twin-Peaks-Charme

Grafisch präsentiert sich Backpacker in einem ansprechenden Pixelgewand, das den Charme der frühen 90er-Jahre versprüht und mich sehr stark an Der Schatz im Silbersee von Software 2000 erinnert. Die liebevoll und sehr detailliert gestalteten Naturkulissen mit aufwändig animierter Fauna sind ein wahrer Augenschmaus für Freunde pixeliger Grafik. Das Payette Inn erinnert sehr an das Great Northern Hotel aus Twin Peaks, das im benachbarten Bundesstaat Washington angesiedelt ist.

Der Soundtrack besteht aus MIDI-Musik, die mit ihren eingängigen Melodien das Spielerlebnis angenehm untermalt. Das Spiel ist komplett auf Englisch synchronisiert, wobei die beiden Entwickler selbst sowie einige ihrer Familienmitglieder zum Einsatz kommen. Das Ergebnis ist jetzt zwar nicht filmreif, doch alles andere als schlecht. Besonders gefallen hat mir der Erzähler, der zunächst sehr stoisch alles kommentiert, was wir machen, aber bei Todesszenen zynische bis lakonische Sätze ganz trocken von sich gibt, in der Art von: „A few hundred years from now, some wanderers find your smashed body. Unfortunately, nobody has ever found your head“.

Backpacker ist sehr textlastig, Untertitel gibt es leider keine – oder zum Glück, denn für gewöhnlich bin ich ein Durchklicker, so ward ich gezwungen, mich auf das Tempo einzulassen, das mir das Spiel vorgibt.

Backpacker enthält auch einige Minispiele, wie beispielsweise eine Runde Darts, was Spaß macht, aber auch eine ziemlich Herausforderung darstellt. Besonders schwierig ist das Drachenfliegen, bei dem es darum geht, Chuck sicher auf die Insel in der Mitte des Sees zu bringen. Dieses Minispiel hat mich zur Weißglut gebracht, das später folgende Bergsteigen nur ein bisschen weniger. Damit ihr euch dabei nicht alle Haare ausrupft, stelle ich euch hier meine Savegames nach den drei Minispielen zur Verfügung.

Fazit

Backpacker: The Lost Florence Gold Mine ist ein faszinierendes Beispiel für die kreative Fusion von Erzählkunst und interaktivem Gameplay, das trotz seiner bescheidenen Bekanntheit in der heutigen Zeit (zumindest bei mir) einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Die Entwicklungsgeschichte des Spiels ist geprägt von Leidenschaft und Hingabe zweier Menschen und spiegelt sich in der liebevollen Gestaltung der Pixelgrafik und der detailreichen Spielwelt wider. Ach ja, das habe ich noch gar nicht erwähnt: Die Spielwelt ist für ein Point-and-Click-Adventure riesig, ich habe jetzt nicht mitgezählt, aber gefühlt sind es mehr als 60 Screens.

Ja, die Grafik ist für die damalige Zeit nicht mehr zeitgemäß gewesen, aber für uns Retro-Abenteurer soll das nicht von Belang sein. Leider ist der kommerzielle Erfolg ausgeblieben und Backpacker sollte das einzige Spiel von Animagination bleiben. Die Herausforderungen, die das Spiel bietet, sowie die ansprechende musikalische Untermalung und die einprägsame Erzählweise machen es zu einem versteckten Schatz, der es wert ist, gehoben zu werden. Wie bei jedem gutem Spiel war ich am Ende traurig, dass es vorbei ist.

Also lasst euch nicht vom Label „Educational Action Adventure“ abschrecken und probiert es einfach einmal, ihr werdet es nicht bereuen. Lernen werdet ihr dabei sicher trotzdem etwas, und wenn es nur ist, dass ihr euch bei eurem nächsten Wanderausflug in Österreich nicht zu nah an einen Abhang begebt.

Die fesche Rothaarige im Dirndl hat es Chuck offensichtlich angetan.
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Über André Savetier

André hat zwei große Passionen: Musik und Adventure-Spiele. Für erstere fehlt leider die Zeit, aber ein Spielchen zwischendurch geht sich immer aus. Ein besonderes Interesse hat unser Österreicher an Adventure-Spielen, die etwas in Vergessenheit geraten sind, oder an solchen, die kaum jemand kennt.

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4 Comments on “Adventure-Schatzkiste: Backpacker: The Lost Florence Gold Mine (US)”

  1. Klingt sehr interessant. Und du hast natürlich recht: Von diesem Spiel, der Firma und den beteiligten Personen habe ich noch nie gehört. Spannend!
    Nur die fehlenden Untertitel schlagen mir schwer auf den Magen. Einerseits wegen der Zeit: Ich klicke auch gerne mal in Dialogen die Sprachausgabe weg, wenn ich fertig mit Lesen bin. Andererseits ahne ich, dass ich wichtige Infos überhören würde.
    Danke!

    1. Ja, deshalb muss man sich mehr auf die Geschichte einlassen. Das hat mir Hyperaktiven ganz gut getan, sonst hätte ich mich einfach durchgeklickt und es wahrscheinlich nicht so genossen/verstanden.

    1. Hab ich mich gar nicht getraut zu schauen… aber Big Boxes sind leider heute alle sehr teuer. Ich hab keine Ahnung, wo meine 90er-Spiele alle hingekommen sind, muss ich mal meine Mutter fragen.

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