Abscission

Der Beitrag “Spiele-Check: Abscission – Mitreißende Mystery-Thriller-Ermittlungen” erschien zuerst am 18.10.2022 auf GamersGlobal als User-Inhalt unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0 DE DEED.

In einer Zeit, in der mich Spiele völlig kalt lassen, an denen Tausende von Mitarbeitern gearbeitet haben, freue ich mich immer über die besonderen Indie-Perlen, die aus dem Herzblut eines kleinen Teams, oder (wie in diesem Falle) dem eines Ein-Mann-Studios entstehen. Wenn es euch auch so geht und ihr ein Herz für Indie-Adventures habt, dann solltet ihr diesen Spiele-Check aufmerksam lesen.

Hinter dem Label Beyond Booleans steckt Jacob Prytherch aus Birmingham, England. Er selbst bezeichnete sich mir gegenüber augenzwinkernd als „Mann mittleren Alters ohne Programmierkenntnisse, der froh darüber ist, das Spiel irgendwie zum Laufen gebracht zu haben“. Das ist genauso sympathisch wie tiefgestapelt, denn sein Erstlingswerk Abscission hat mein Adventure-Herz wirklich höher schlagen lassen.

Ein blutiger Einstieg

Es ist 1991. Euer Name ist Will Stanhope und ihr seid Detective im (fiktiven) Ort Ashfield. Eines Nachts werdet ihr an einen neuen Tatort gerufen. Das, was euch dort erwartet, dreht sogar euch abgehärtetem Ermittler den Magen um: Ein Frau hängt nackt in ihrem Schlafzimmer an der Wand, als sei sie gekreuzigt worden. Aus ihren Eingeweiden wachsen seltsame, astartige Schläuche, die sie an der Wand gefesselt halten. Ihr trefft eine alte Kollegin wieder und helft ihr, den Tatort zu untersuchen. Dabei findet ihr Hinweise und Spuren, die euch weiterhelfen. Anschließend konfrontiert ihr den Hausmeister, der das Opfer gefunden und den Mord gemeldet hat.

Den neuen Spuren folgt ihr wiederum, indem ihr zum Beispiel in eurem Computer Personennamen recherchiert oder neue Orte besucht und dort wiederum eurer Detektivarbeit nachgeht. Doch je tiefer ihr in den Fall abtaucht, desto schlechter scheint es euch zu gehen. Bald werdet ihr von Visionen geplagt, die in einer düsteren Parallelwelt zu spielen scheinen. So entfaltet sich langsam aber sicher eine packende Mystery-Thriller-Geschichte, die euch immer mehr an eurem Verstand zweifeln lässt…

Klassische Point-and-Click-Kost mit interessanter Gesprächsmechanik

Ihr habt es hier mit einem typischen Point-and-Click-Adventure mit einer Zwei-Tasten-Maussteuerung zu tun. Optional könnt ihr Detective Stanhope auch mit den Pfeiltasten durch die Hintergründe wandern lassen. Das Spiel legt seinen Fokus auf Detektivarbeit und lässt euch manche Orte auch erst dann verlassen, wenn ihr alle Hinweise gefunden habt.

In Verhören könnt ihr entscheiden, wie ihr eurem Gesprächspartner entgegentreten möchtet. Ihr sucht dazu eine von vier Herangehensweisen aus. Versucht ihr es lieber auf die freundliche Kumpelart? Oder bevorzugt ihr die distanzierte, ruhige Vorgehensweise? Vielleicht gefällt euch auch der detailverliebte Stil und ihr versucht, auf euer Gegenüber einzugehen? Im Zweifel bleibt euch immer noch die harte Tour, mit der ihr den knallharten Detective raushängen lasst. Je nachdem, wie ihr euch entscheidet, verhält sich auch die verhörte Person, was dazu führt, dass sie euch wichtige Informationen preisgibt – oder eben nicht. Aber keine Angst, selbst wenn ihr hier etwas verpasst, zu einer Sackgasse kann das nicht führen. Allerdings beeinflussen eure Entscheidungen, die ihr bei den Verhören trefft, den Ausgang des Spiels.

Liebevoll gemacht, aber nicht technisch perfekt

Die Pixel-Optik in Verbindung mit der Musikuntermalung hat es bei mir auf eine wunderbare Art und Weise geschafft, eine unheimliche Stimmung zu erzeugen. Die Steuerung funktionierte wunderbar, und sogar auf dem Steam Deck konnte ich Abscission problemlos spielen. In meiner Vorabversion stieß ich auf den einen oder anderen kleineren Grafik-Bug, der meinen Spielfluss aber in keinster Weise gebremst hat. Überhaupt ist der Flow in dem Adventure wunderbar gelungen. Nicht nur in dieser Hinsicht hat mich Abscission an kleine Indie-Meisterwerke wie Nightmare Frames erinnert.

Nur zur Erinnerung: Wir haben es hier mit dem Erstlingswerks eine Mannes zu tun, der sich über drei Jahre lang in das Adventure Game Studio eingearbeitet und damit seinen Traum verwirklicht hat. Das macht die sowieso schon tolle Spielerfahrung für mich persönlich zu etwas ganz Besonderem, auch wenn Abscission (selbstverständlich) technisch keine Bäume ausreißt.

Fazit

Abscission ist endlich wieder ein Adventure, das genau meinen Nerv trifft. Der Entwickler bezeichnet Abscission als „Lovecraft’sches, storyfokussiertes Horror-Ermittlungsspiel“, was ganz gut beschreibt, was euch in den etwa 6 bis 8 Stunden Spielzeit erwartet. Der Lovecraft-Anteil war für mich dabei relativ gering und bezieht sich wohl auf den möglichen Wahnsinn eurer Spielfigur und mit den Dingen, die euch später im Spiel noch begegnen werden. Die Horror-Geschichte hat für mich ganz gut funktioniert, am meisten Spaß hatte ich aber an der Detektivarbeit und den Verhören. Auch die Idee mit den vier möglichen Enden, die in gewisser Weise mit euren bevorzugten Verhörarten zusammenhängen, gefiel mir.

Bei so einer kleinen Produktion ist es wohl nicht verwunderlich, dass ihr nur mit englischen Bildschirmtexten rechnen dürft. Die fehlende Sprachausgabe konnte ich ganz gut verkraften. Wenn ihr euch von diesen Hürden nicht aufhalten lasst und ein Faible für Indie-Detektivspiele mit Horrorelementen habt, dann solltet ihr Abscission eine Chance geben!

  • Detektivspiel für PC
  • Einzelspieler
  • Für Anfänger bis Experten
  • Preis: 8,79 Euro
  • In einem Satz: Eine bis zum Schluss spannende Mystery-Detektivgeschichte mit verschiedenen Enden, verpackt in einem klassischen Point-and-Click-Adventure.
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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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